Gelöschte Festplatten: Deutsche Footballer brechen mit Altlasten in neue Ära auf

Das neue AFVD-Präsidium muss die Neustrukturierung ohne finanzielle Ressourcen angehen – und verpflichtet den Berliner Shuan Fatah als Headcoach der Männer.

Der Cheftrainer der Berlin Adler, Shuan Fatah, ist seit wenigen Tagen Headcoach der deutschen Football-Nationalmannschaft.
Der Cheftrainer der Berlin Adler, Shuan Fatah, ist seit wenigen Tagen Headcoach der deutschen Football-Nationalmannschaft.Michael Meindl/imago

Die Popsängerin Rihanna bekommt bei der Halbzeitshow im State Farm Stadium der Arizona Cardinals in der Nacht von Sonntag auf Montag ihre riesengroße Bühne. In den zwei Vierteln davor und in denen danach kämpfen die Footballer der Philadelphia Eagles und der Kansas City Chiefs um den Sieg im Super Bowl.

Viele Geschichten – die etwa die von den Kelce-Brüdern Jason und Travis, die als Eagles-Center und Tight End der Chiefs gegeneinander antreten oder die der beiden Quarterbacks Jalen Hurts und Patrick Mahomes garnieren diese Partie. Die NFL ist eine Traumfabrik, der Super Bowl so etwas wie ihre alljährliche Betriebsfeier im globalen Scheinwerferlicht. 30 Sekunden Werbung beim übertragenden US-Sender Fox kosten mehr als 6,7 Millionen Euro.

Ein Haushaltsplan, der nur elementarste Fixkosten abdeckt

Tags zuvor geht es in der deutschen Football-Welt weniger um Glorie und Glamour, um Geld aber schon: Das neue Präsidium des American Football Verbandes Deutschland (AFVD) will beim Außerordentlichen Verbandstag einen Haushaltsplan zur Abstimmung vorlegen, der den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. „Dieser wird jedoch nur die elementarsten Fixkosten abdecken können, da auch ein Großteil der Einnahmen aus Lizenzgebühren für 2023 bereits ausgegeben wurde“, teilte der AFVD mit.

Das Jahr ist kaum gestartet, aber das Budget schon weg? Wenn man die Mitteilung des neuen AFVD-Präsidiums liest, hat der bisherige Präsident Robert Huber den nationalen Verband in seiner 25-jährigen Amtszeit wohl als eine Art Selbstbedienungsladen begriffen. Schon 2012 standen er und die üppige Bezahlung von AFVD-Funktionären in der Kritik. 2018 forderte eine Petition, der Verband müsse seine Finanzen transparenter gestalten. Auffällige Finanzbewegungen und Verträge sowie zwei gelöschte Computer-Festplatten haben zuletzt neue Fragezeichen hinterlassen. „Das Präsidium hat eine Fach-Anwaltskanzlei mit der Prüfung der Vorgänge beauftragt“, erläuterte die neue AFVD-Führung.

Mitte November wurde der Jurist Huber als AFVD-Präsident abgelöst, mit seinem Rückzug kam er dem Abwahlantrag von neun Landesverbänden zuvor. Neu im Amt ist seither Fuad Merdanovic, der Präsident des American Football und Cheerleading Verbandes Berlin-Brandenburg. Der staunte mit seinen neu gewählten Kollegen nicht schlecht, als er das Verbandskonto sah, Verträge vorfand, die Huber vor seinem Rückzug noch mit dessen eigener Firma geschlossen hatte und zwei gelöschte Computer überreicht bekam.

Zudem musste die Geschäftsstelle des AFVD umziehen, „da mit Ausscheiden von Robert Huber aus dem Präsidium das Mietverhältnis vom Vermieter Robert Huber mit sofortiger Wirkung beendet wurde. Trotz der im Voraus vom AFVD überwiesenen Miete bis März 2023 an den Vermieter Robert Huber.“ Digitale Buchhaltungsdaten fehlen, etliche Unterlagen auch. Warum? Für die Jahre 2021 und 2022 hatte die Bundesversammlung im November den Vorstand nicht entlastet. Es wird also am Sonnabend spannend in Frankfurt.

Schließlich hat sich der AFVD aufgemacht, um sich auf vielen Ebenen neu zu strukturieren. Stillstand wie zuletzt soll es nicht mehr geben. Um die U19-Nationalmannschaft weiterzuentwickeln, rief der Verband zu Spenden für ein Camp samt Länderspiel in Frankreich auf, 25.000 Euro sollen zusammenkommen. In der Kasse sind sie nicht.

Dennoch tut sich auch im Männerbereich etwas: Nachdem es seit 2018 kein Nationalteam mehr gab, verkündete das neue Präsidium die Verpflichtung von Shuan Fatah als Headcoach. „Der AFVD ist wieder sexy und viele die in Vergangenheit eher auf Abstand gegangen sind, möchten sich jetzt wieder in den Dienst des Sports stellen.“ Die Zusage von Wunschkandidat Fatah sei das beste Beispiel dafür, meint Vizepräsident Andreas Kegelmann. Man habe Fatah auch mit dem Gesamtkonzept überzeugen können, das den Jugendspielern über die Vereine und die Jugendnationalmannschaft den Weg ins Männer-Nationalteam aufzeigt.

Der Berliner Coach führte die Adler vorige Saison als Aufsteiger in die Play-offs der German Football League. Dort war erst im Viertelfinale Schluss. Er trainierte schon 1994 Deutschlands Junioren und war 2000 Männer-Coach. Der 54-Jährige, der als Spieler mit den Adlern 1987, 1989 und 1990 Deutscher Meister wurde, war zudem als Headcoach der Österreicher tätig, ebenso in der NFL Europa und im US-Collegefootball.

Nach vielen Jahren der Ungewissheit sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, um den schlafenden Riesen zu wecken, sagte Fatah. Er wolle aktiv mitwirken „und ein Signal setzen, dass eine neue Ära im AFVD und dem deutschen Football begonnen hat“. Intransparente Geschäfte sowie das Löschen von Computer-Festplatten sollen nicht mehr dazugehören.