Gleich zweimal erregten Ereignisse um Fans von Hertha BSC zuletzt die Gemüter. Mit einem außergewöhnlichen PR-Gag macht Hertha seit voriger Woche auf sich aufmerksam. Gesucht wird ein treuer Fan, der seine Liebe zum Klub mit einem "mehr als gewöhnlichen Kunstwerk" zum Ausdruck bringen möchte. Nämlich mit einem Tattoo, das neben der blau-weißen Fahne, den Stadtgrenzen Berlins und der Silhouette des Olympiastadions auch einen QR-Code beinhaltet. Und der gilt als Eintrittskarte für alle Bundesliga-Heimspiele der Berliner. "Die Dauerkarte deines Lebens", wirbt der Verein. Dieser Fan hat freien Eintritt sein Leben lang. Ein starkes Stück!
Der klitzekleine Nachteil: Nur ein einziger Fan kommt in den Genuss dieses Privilegs und darf sich das Tattoo stechen lassen. Mit einem Bild, Video oder einer anderen kreativen Idee kann sich noch bis zum Donnerstag beworben werden. Nur wenige Stunden nach dem Aufruf auf Facebook hatten sich schon hunderte Fans angemeldet.
Tattoo-Karte: Billiger Gag oder geniale Marketing-Aktion
Manche „normale“ Stadionbesucher halten diese Aktion für einen billigen Gag der Hertha, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Andere sehen darin eine geniale Marketing-Aktion. Eines scheint sicher: da es die weltweit im Fußball wohl erste Aktion dieser Art ist, könnte es auch zu einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde kommen. Das wäre ein schöner Nebeneffekt.
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Ich musste im ersten Moment an den ehemaligen Hertha-Trainer Markus Babbel denken, der sich einst das Logo jedes Vereins auf den Arm stechen ließ, den er trainiert hatte. Wenn Babbel das durchgehalten hat, müsste zuletzt das Logo des Schweizer Erstligisten FC Luzern auf seinem Arm verewigt worden sein. Dort wurde er aber vor wenigen Wochen entlassen.
Ob der Gewinner der Aktion wohl bei den Heimspielen in der berühmten Ostkurve im Olympiastadion steht? Keine Ahnung.
Vorerst keine Choreos in der Ostkurve
Jedenfalls hatten die einflussreichen „Harlekins Berlin `98“ vor dem letzten Heimspiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim angekündigt, dass es vorerst keine Choreografien mehr in der Ostkurve geben wird. Gründe dafür liegen „in wahnwitzigen Regularien und Zensurversuchen“ seitens der Geschäftsführung, schreiben jedenfalls die Harlekins. Nun existiere im Moment nahezu kein Verhältnis zur Geschäftsführung von Hertha.
Das ist erst einmal eine schlechte Nachricht. Der Hintergrund: In den vergangenen Monaten beschimpften sich die Fans der Hertha und die des 1. FC Köln vehement auf großen Stadionbannern, teils mit sehr geschmacklosen Sprüchen. Auch Herthas Imagekampagne, die vor allem auf Publikum im Internet zielt, wird auf Bannern immer wieder angegriffen. Ein Teil der alteingesessenen Fans fühlt sich übergangen oder nicht verstanden.
Vereinsführung will größere Kontrolle über die Ostkurve
Der Vereinsführung hingegen konnten einige Sprüche und Losungen der Fans natürlich nicht gefallen. Sie möchte nun eine weitaus stärkere Kontrolle als bisher über das, was im Stadion in der Ostkurve gezeigt wird und auch oft auf Fotos oder im Fernsehen zu sehen ist. Beide Seiten haben ihre gewichtigen Argumente.
Ich denke, es kann nur einen Weg geben: Einflussreiche Vertreter der Fans aus der Ostkurve und die Geschäftsführung müssen wieder schnell an einen Tisch und miteinander reden. So wie es in der Vergangenheit oft üblich und wichtig war. Sonst wird die Stimmung im weiten Olympiastadion leiden.
Richtlinien für Stadionbanner
Mir fiel ein gutes Beispiel auf, wie man mit diesem Problem umgehen kann. Das Fanprojekt Berlin und die „Initiative Hertha für alle“ veranstalteten schon im Herbst 2017 einen Treff, auf dem es eine Diskussion über den Inhalt von Stadionbannern gab. Leider ist das ein wenig untergegangen im Wust der Meldungen und Nachrichten. Bei einem „Wahlomat“ ging es bei zahlreichen ausgesuchten Bannern aus vielen unterschiedlichen Fankurven des gesamten Landes von Prädikaten wie „harmlos“ bis „hart an die Grenze“ oder von „zu viel des Guten“ bis „ekelerregend“. Laut Fanprojekt Berlin beteiligten sich damals fast 1000 Fans. Diskutiert wurde: Wo liegen die inhaltlichen Grenzen bei Spruchbändern? Mir ist nicht bekannt, wie die Ergebnisse weiter genutzt worden sind, aber sie könnten doch bei möglichen Treffs der Ostkurven-Vertreter mit der Geschäftsführung vielleicht mit einbezogen werden. Sie ergeben ja ein gewisses Stimmungsbild. In Berlin, bei Hertha BSC, sollten Kompromisse erzielt werden können. Freche und kritische Sprüche, auch provokante Dinge, sollten doch möglich sein, aber natürlich keine Beleidigungen von Personen und Sprüche jeglicher Art unter der Gürtellinie, die Menschen oder Menschengruppen diffamieren.
Hertha, das ist Fakt, braucht eine stimmungsvolle Ostkurve – auch ab und an mit originellen Choreografien. Und die treuen Fans brauchen einen Verein, mit dem sie sich identifizieren können.
Übrigens, der Fan, der das Rennen um die lebenslange Dauerkarte gewinnt und ein Tattoo bekommt, soll im Heimspiel gegen den Mainz 05 am 16. Februar gekürt werden. Auf ihn wird medial einiges zukommen.
Darauf ein friedliches Ha-Ho-He!