Hertha BSC: Kalou glaubt an sich und den Sieg gegen Gladbach

Berlin - Sorgen machen muss sich um Salomon Kalou niemand. Obwohl Herthas erfolgreichster Angreifer der vergangenen Saison vor dem Heimspiel gegen Mönchengladbach (Freitag, 20.30 Uhr) in dieser Saison erst 101 Bundesligaminuten gespielt hat und ohne Torerfolg ist. Obwohl der wichtigste Fixstern in seinem Leben erloschen ist, als der Vater Anfang August verstarb. Und obwohl er noch eine Sache sagt, die so traurig klingt, dass man ihn sofort in den Arm nehmen möchte, diesen 31-jährigen Mann auf dem Sofa im Aufenthaltsraum der Vereinsgeschäftsstelle. „Ich habe wenig Freunde“, sagt er. Hier in Berlin? „Nein, generell.“

Wenn einst erfolgreiche Fußballer neben dem Platz für eine Mannschaft wichtiger werden als auf dem Feld, bezeichnet man dieses Stadium als Karriereherbst. So wie sich derzeit die Blätter verfärben, welkt die Leistungsfähigkeit. Als Beispiel dieser Karriereuhr sei John Heitinga genannt. Der niederländische Nationalspieler kam 2014 zu Hertha, und bald fiel der erste Schnee.

Fußball als Quelle der Freude

Aber Salomon Kalou ist guter Dinge. Der Ivorer ist jemand, der das Medium Zeitung an seine Grenze bringt. Er sagt Sätze, die sich so schön lesen wie sie klingen. Zum Beispiel: „Fußball ist für mich eine Quelle, aus der ich wieder Freude schöpfe. Das war so, seit ich ganz klein war.“ Andere Dinge erwecken im Geschriebenen jedoch einen falschen Eindruck: „Ich weiß, das irgendwann wieder der Moment kommt, in dem ich den Unterschied mache. Wenn Vedad und ich gut in Form sind, hat Hertha größere Chancen zu gewinnen. Wenn nicht, wird es schwierig, regelmäßig Spiele zu gewinnen.“

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Und auf die Frage, woher trotz persönlicher Flaute die Selbstsicherheit kommt, dass er neben Vedad Ibisevic der Schlüsselspieler ist, der Hertha BSC nach oben bringen kann, antwortet er: „Weil ich erlebt habe, wie es geht. Als ich zu Chelsea gegangen bin, wollten wir die Champions League gewinnen, und wir haben es geschafft.“

Beeindruckt von Usain Bolt

Das liest sich arrogant. Ist es aber nicht. Man muss den Tonfall hören, die weiche Intonation. Das glückliche Lächeln sehen, das sein Gesicht durchzieht, wenn er von seinem Vater erzählt. Die Überzeugung spüren, wenn er davon spricht, jeden Menschen mit dem gleichen Respekt zu behandeln. „Es gibt im Leben keinen Grund, arrogant zu sein“, sagt er. „Jeder hat seine Art, glücklich zu sein. Man sollte niemandem etwas aufzwingen. Ich mag etwas, was du nicht magst und umgekehrt. Man kann in der Mitte zusammenfinden.“

Kürzlich hat er Usain Bolt getroffen, den großen Spaßmacher aus Jamaika, den Weltrekordsprinter, der mit Gegnern, Fans und Journalisten so leichtfüßig zu spielen scheint. „Seine Bescheidenheit hat mich sehr beeindruckt“, sagt Kalou. „Er ist ein einfacher Typ, keiner, der sich verrückt machen lässt.“

Chancen ungenutzt gelassen

Im Qualifikationsrückspiel der Europa League hat Kalou gegen Brøndby IF die Gelegenheit ausgelassen, Hertha in die nächste Runde zu schießen. Auch in der ersten Pokalrunde ließ er beste Chancen ungenutzt. Immerhin kam Hertha im Elfmeterschießen weiter. Vor zwei Wochen erst kam er zu seinem ersten Bundesligaeinsatz, es folgte das Pokal-Spiel auf St. Pauli und dann vergangenes Wochenende die Einwechslung in Hoffenheim. Entscheidendes gelang ihm nicht. „Er braucht so schnell wie möglich ein Tor“, sagte Trainer Pal Dardai.

Den Angreifer ficht der persönliche Misserfolg jedoch nicht an. „Wenn du weißt, wie die Dinge funktionieren, machst du dir nie Sorgen. Wenn du aber keine Ahnung hast, warum etwas passiert, verfällst du in Panik“, sagt er. Wer die Erklärung kennt, quält sich also nicht mit zu vielen Fragen und der Angst, dass Erfolg plötzlich aus unerfindlichen Gründen endet oder der Misserfolg für immer hält.

Keine Zweifel

Und Kalou glaubt die Erklärung für die Niederlage in Hoffenheim zu kennen, sie ist simpel:„Weil die Mannschaft müde war, und unser Spiel physisch ist“, sagt er. „Wir müssen frisch sein, um den Unterschied zu machen.“ Gegen Mönchengladbach werde das anders sein. „Wir hatten die ganze Woche Zeit, uns vorzubereiten.“

Dass er selbst bald wieder trifft, daran zweifelt er ohnehin nicht. „Ich muss das Gefühl für das Spiel wiederfinden und physisch bereit sein, dann kommen die Tore automatisch wieder.“ Zwei bis drei Spiele noch, dann wird es soweit sein. Kalou ist sich sicher. Sein Ziel von 15 Treffern − also einen mehr als in der Vorsaison − und Platz sechs in der Liga mit Hertha will er nicht revidieren, obwohl bereits neun Spieltage verstrichen sind.

Fußballverrückter Vater

Es war sein Vater, der ihn dazu animiert hat, an hohen Zielen festzuhalten. Ein fußballverrückter Mann, der bis vier Uhr morgens Wiederholungen von Partien im TV anschaute, der selbst Fußball spielen wollte, aber Lehrer wurde, um für die Familie zu sorgen. An der Schule organisierte er Spiele zwischen den Klassen und stellte seinem Sohn Sonderaufgaben. Wenn der etwa ein Tor erzielte, gab es eine Prämie. „Er hat mich gelehrt, das man mit Talent bis hier kommt“, sagt Salomon Kalou und hält die Hand auf Nasenhöhe. Dann streckt er den Arm auf Maximallänge.„Und dass es dein Verhalten und deine Erziehung sind, die dich noch höher bringen“, fügt er an.

Manager Michael Preetz und Trainer Dardai haben ihm die Zeit gegeben, mit der Familie in der Heimat zu trauern. „Die Tatsache, dass mein Vater lange genug gelebt hat, um zu sehen, dass mein Bruder und ich seinen Traum für uns erfüllen, hat ihn mit Stolz erfüllt. Er ist glücklich von uns gegangen“, sagt Kalou. Mit dieser Gewissheit möchte er nun dazu beitragen, seine eigene Prophezeiung zu verwirklichen. „Ich war bei mehreren großen Vereinen, und dieses Potenzial sehe ich bei Hertha“, sagt Kalou. Die Zahl der Fans im Olympiastadion und der Mitreisenden zu Auswärtsspielen, dazu die Stadt Berlin mit all den Touristen: „Hertha kann einer der Topklubs in der Bundesliga werden“, sagt Kalou. Keine Frage, dass er an einen Sieg gegen Mönchengladbach glaubt.