Hertha BSC kassiert auch gegen Werder Bremen Elfmeter - und verliert

Bremen - Man kann einen vorfreudigen Fußballfan nicht einfach zum Schweigen bringen, man kann von ihm auch nicht verlangen, dass er stillhält im Stadion, wo doch so viel passiert, ständig, überall. Hier ein Torschuss, dort ein Foul, so ein Fußballspiel ist ein Oh und Ah und Uh und überhaupt: Warum sollen die einen schweigen, nur weil die anderen es so wollen?

Die einen, das waren am gestrigen Dienstagabend die normalen Stadiongänger, auch Eventfans genannt, und die anderen, das waren die aktiven Fanszenen von Werder Bremen und Hertha BSC, die sogenannten Ultras, die einem bundesweiten Stimmungsboykott folgen wollten. Was sie fordern? „Dass der Fußball wieder die Interessen der Fans in den Mittelpunkt rückt und nicht die Interessen von Investoren oder Stakeholdern.“

Im Interesse der Protestler ist es, dass die Bundesligaspieltage nicht weiter in Scheibchen zerschnitten werden wie eine beliebige Dauerwurst, dass die Anstoßzeiten möglichst vielen ein Stadionerlebnis ermöglichen, vor allem auswärts. In den Worten der Bremer Ostkurve hieß das: „Football ist for me, not for fucking Pay-TV.“ Auf der Gegenseite hatten sie sich für einen anderen Reim entschieden, im Herthablock endete die Botschaft mit: „Industry“.

Also erst mal großes Schweigen, seltsame Stille auf den Rängen, aber dann trotzdem zaghafte Klatschversuche, einzelnen Rufe, Pfiffe der Ultras – genau achtzehn Minuten und dreißig Sekunden sollte das im Weserstadion so gehen, weil das Spiel hier um 18.30 Uhr angepfiffen wurde. Doch dann kam die elfte Spielminute, und selbst der härteste Bremer Ultra konnte nicht anders, er musste über den Führungstreffer von Martin Harnik jubeln. Die anderen sowieso. Marvin Plattenhardt sagte hinterher: „Es war nicht unser Spiel, es war nicht unser Tag.“ In Zahlen: Werder 3, Hertha 1. Die erneute Eroberung der Tabellenführung für mindestens zwei Stunden war gescheitert.

Trainervater und Spielersohn

Als Palko Dardai den Rasen betrat, war Pal Dardai bereits da, stand vor der Kamera, um zu erklären, was er, der Trainervater, sich eigentlich dabei gedacht hatte, seinen Spielersohn in die Startelf zu befördern, erstmals bei einem Bundesligaspiel. Keine zehn Meter waren beide nun voneinander entfernt, aber keinen Blick wechselten sie, denn keiner wollte sich etwas anmerken lassen. Auch bei der Auswechslung nach gut einer Stunde hatte der Vater keine Zeit für Zärtlichkeiten. Es war gerade die beste Phase seiner Mannschaft angebrochen. Valentino Lazaro beschrieb diese so: „Wir waren nah dran, aber dann …“

Werder führte da bereits 2:1 nach einem Ecke-Kopf-Treffer von Milos Veljkovic, für Hertha hatte Javairo Dilrosun aus einem sehr spitzen Winkel verkürzt. Und plötzlich rollte der Ball geordnet durchs Mittelfeld, waren Lücken auf den Flügeln, war noch Resthoffnung, dass die Serie hält, die Euphorie bleibt. Dann aber flog eine Flanke von rechts in den Strafraum, und lassen wir zunächst Plattenhardt selbst berichten: „Er kommt von hinten, ich sehe ihn nicht, ich berühre ihn, und er macht das natürlich clever.“ Er heißt Theodor Gebre Selassie, die Berührung war auf Wadenhöhe, und zur Bestrafung gab es einen Elfmeter, den Max Kruse zum 3:1 verwandelte. Moment mal, Elfmeter, schon wieder? Ja, der fünfte im fünften Spiel gegen Hertha. Einsamer Bundesligarekord. Auch da lohnt es sich, die Bewertung einem Protagonisten zu überlassen. „Irgendwann muss man hinterfragen“, sagte Lazaro, „was da passiert. Das hat uns gebrochen.“ Pal Dardai sagte: „So haben wir das Spiel entschieden, gegen uns.“

Der Trainer war letztlich auch froh, dass die Geschichte vom Bayernjäger Nummer eins erst mal vorbei ist. Er gab diese Rolle gerne weiter an seinen Bremer Kollegen Florian Kohfeldt. Dann sagte er noch: „Vielleicht gab es zu viel Lob für uns.“ Jedenfalls konnte er sich nicht erklären, warum seine Spieler diesmal nur hinterherlaufen konnten, selbst bei Ballgewinnen kein gezieltes Umschaltspiel hinbekommen haben. „Acht von elf Spielern waren acht nicht gut drauf“, sagt Dardai. Er meinte körperlich, er meinte mental.

Dazu zählte Rune Jarstein nicht. Der Torwart versuchte alles, aber der Bluterguss im Oberschenkel war zu schmerzhaft, er blieb zur Halbzeit in der Kabine. Das passte zu diesem misslungenen Abend.