Fredi Bobic auf der Suche nach dem Maulwurf bei Hertha BSC
Herthas Sportchef lässt bei der Mitgliederversammlung tief blicken, fordert eine neue Kultur. Trainer Sandro Schwarz verabschiedet sich unterdessen in Moskau.

Fredi Bobic musste auf der Mitgliederversammlung mehrfach tief durchatmen. Ganz klar: So schwer hat es sich der ehemalige Stürmer als neuer Sportchef von Hertha BSC nicht vorgestellt. Bei seiner Rede nahm er kein Blatt vor den Mund und belegte damit, wie tief die Gräben bei Hertha BSC waren, aber auch noch sind. In der Mannschaft, auf der Geschäftsstelle, im Präsidium. Zu viele Löcher bei Hertha BSC: Fredi Bobic findet den Maulwurf nicht!
„Keine Ahnung, wie viele Falschmeldungen ich mit Absicht produziert habe, um zu sehen, wo die Löcher intern sind“, erklärte Bobic und sorgte mit seiner Maulwurf-Suche für viele Lacher, aber auch einiges an Staunen.
Fredi Bobic hatte keinen leichten Start bei Hertha BSC
Auch danach sprach der Sportchef Klartext. Sein erstes Jahr bei Hertha BSC hatte er sich ganz anders vorgestellt. Bobic über seine harte Hertha-Welt: „Es war sicherlich kein leichter Start, wenn man reinkommt und merkt, mhm, hier läuft irgendwas nicht richtig.“
Das gilt für die Mannschaft auf dem Feld, aber auch für die im Büro. Bobic: „Ich habe vergangenen Sommer versucht, allen in den leitenden Funktionen Vertrauen zu schenken. Auch denen, die schon da waren. Da haben mich einige positiv überrascht, aber einige auch negativ, die es einfach nicht hinbekommen haben.“
Zur Erinnerung: Als Nachfolger des früheren Managers Michael Preetz brachte Bobic eine ganze Armada von neuen Mitarbeitern aus Frankfurt mit ins Westend, was für Ärger sorgte, wie Bobic verriet: „Es gab aber auch Verstimmungen zwischen den Mitarbeiten. Das ist auch normal. Aber wir haben zu viele Gräben, auch bei uns auf der Geschäftsstelle. Wenn wir uns zerfleischen, wird es nicht funktionieren.“
Dass immer wieder interne Informationen den Weg nach draußen finden, bezeichnete Bobic als „Virus, das frisst dich von innen auf“. Alle Löcher im blau-weißen Käse hat der Hertha-Boss aber noch nicht stopfen können. Jüngste Beispiele: Der Rücktritt von Ingo Schiller und die Berichte, dass Sandro Schwarz neuer Cheftrainer werden soll.
Sandro Schwarz dementiert Einigung mit neuem Klub
Oder ist das mit dem 43 Jahre alten Schwarz auch wieder nur so eine Falschmeldung? Schwarz jedenfalls verkündete am Sonntag nach der 1:2-Niederlage mit Dynamo Moskau im Pokalfinale gegen Spartak Moskau den Abschied von seinem bisherigen Klub und die Auflösung seines ursprünglich bis 2024 geltenden Vertrags. „Ich habe immer gesagt, dass wir diese Saison alle gemeinsam bis zum Ende durchstehen sollten. Aber die Situation in der Welt ist nicht einfach, und heute war mein letztes Spiel in Russland.“ Gleichzeitig dementierte der frühere Mainzer Coach aber auch, bereits anderswo unterschrieben zu haben. Schwarz betonte, „dass ich keine Vereinbarungen mit einem anderen Verein hatte“.
Bobic, der sich zuvor selbstkritisch über seine Aktivitäten auf dem Transfermarkt und bei der Trainerwahl – im Fall von Tayfun Korkut – äußerte, blickt lieber nach vorn. Damit Hertha nicht mehr wie von einem Mitglied als „peinlichster Verein der Nation“ wahrgenommen wird, plädierte Bobic für eine neue blau-weiße Kultur: „Ich sehe so viel Talent bei Hertha BSC. So schlecht sind wir nicht. Aber wir müssen aufpassen, wie wir miteinander, wie wir übereinander reden. Am Ende des Tages wird es nur zusammen gehen.“
Den Mitgliedern, die teilweise pfiffen und mit Zwischenrufen störten, aber in der großen Mehrheit sehr genau lauschten, was Bobic zu sagen hatte, und am Ende den Sportchef mit großem Applaus verabschiedeten, versprach Bobic: „Wir haben vieles zum Positiven verändert. Das kann man vielleicht noch nicht sehen oder messen. Aber es wird werden. Wir haben Ideen, ich habe Ideen. Die werde ich mit dem neuen Präsidium, mit dem neuen Aufsichtsrat besprechen.“ Ein neuer Präsident wird am 26. Juni bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gewählt.
Auch die Position des Vorsitzenden der Geschäftsführung ist seit Oktober 2021, als Carsten Schmidt aus privaten Gründen zurücktrat, unbesetzt. Laut Bild-Zeitung gilt Robert Schäfer, zuvor unter anderem bei Hannover 96 und Fortuna Düsseldorf tätig, als Kandidat.
Bobic warb auf seiner ersten Mitgliederversammlung nach der Corona-Pandemie um Geduld und vor allem konstruktive Kritik: „Es wird weiter größere Veränderungen geben. Wir müssen Geld einnehmen, um Geld ausgeben zu können. Aber wir dürfen nicht immer alles sofort negativ sehen. Das gilt auch für den neuen Trainer.“ Und die neuen Spieler, die Hertha vor allem in der Offensive braucht – unter der Auflage, einen Transferüberschuss zu erzielen. Ruhiger wird es für Bobic in den kommenden Wochen sicher nicht.