Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Hertha BSC auf der Suche nach dem Glück
„Wir sitzen in der Scheiße“, sagt Hertha-Profi Kevin-Prince Boateng nach der Partie in Frankfurt. Doch vielleicht gibt es trotz des 0:3 eine gute Nachricht.

Kevin-Prince Boateng hat zuletzt auf Instagram immer mal wieder Szenen gepostet, die ihn als Weltfußballer zeigen: im Trikot des AC Mailand, Seite an Seite mit den Stars des FC Barcelona, dynamische Torszenen. Diese Saison bei Hertha BSC soll seine letzte sein, 2023 das letzte Jahr als Bundesliga-Fußballer. Es hat für die Alte Dame mit 1:13 Toren und null Punkten begonnen. Nach dem 0:3 bei Eintracht Frankfurt am Sonnabend sagte Boateng: „Wir wissen: Wir sitzen in der Scheiße. Aber man muss auch ehrlich sagen: Wir haben noch 15 Spiele, es kann noch alles passieren. Wir brauchen jetzt ein Glücksgefühl.“
Zwei Tore durch Frankfurts Stürmer Randal Kolo Muani
Doch woher soll das Glücksgefühl kommen? Wo liegt es verborgen, wenn ein Team mit drei Siegen aus 19 Spielen Tabellenvorletzter ist und als nächste Gegner Mönchengladbach und Dortmund warten? „Jeder Einzelne muss sich fragen: Wer bin ich? Was bin ich? Was bringe ich meinem Klub und meinen Mitspielern?“, meint Boateng.
In der ersten Spielhälfte gegen Frankfurt waren die Berliner Profis offenbar noch mit der „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“-Frage beschäftigt. Sie boten eine schrecklich schwache Leistung, allen voran Jean-Paul Boetius, der als Spielmacher und Musterschüler von Trainer Sandro Schwarz nach Berlin geholt worden war. Er sollte die Philosophie des Coaches verkörpern, zumindest bei der Umsetzung des aktiven Ballbesitzfußballs behilflich sein.
Das klappte ab und zu in der Hinrunde. Doch zuletzt spielte Hertha eher Ballverlustfußball. Und dann kam statt eines Glücksgefühls das Pechgefühl: Marco Richter hatte aufs Eintracht-Tor geschossen, Frankfurts Makoto Hasebe mit angelegtem Arm geblockt, aber der Elfmeterpfiff blieb aus. Im Gegenzug sauste Stürmer Randal Kolo Muani durch den Hertha-Strafraum. Verteidiger Filip Uremovic packte ihn an der Schulter, sein Bein touchierte Kolo Muanis Wade: Elfmeter für Frankfurt. Die Berliner protestierten. Kolo Muani schoss, 1:0 (21.). Sieben Minuten später traf er zum 2:0.
Nach der Pause schickte Schwarz für Boetius, Dodi Lukebakio und Jonjoe Kenny Winterzugang Tolga Cigerci, Jessic Ngankam und Maximilian Mittelstädt aufs Feld. Hertha spielte von da an 5-3-2. Das defensivere System ließ die Berliner mutiger werden, vielleicht waren es auch Cigercis Präsenz und Übersicht. Die Zahl der Berliner Torschüsse erhöhte sich. Den letzten Treffer der Partie erzielte jedoch Aurelio Buta zum 3:0 in der Nachspielzeit, da war Boateng schon von Schwarz eingewechselt worden.
Der Trainer hat offenbar erkannt, dass sein präferiertes 4-3-3-System mit dem verunsicherten Kader keine Tore und keinen Sinn ergibt. Vielleicht ist das schon die Glücksnachricht. „Wir brauchen nicht über den Trainer zu reden“, attestierte Boateng, der seine Weltkarriere sicher nicht mit einem Abstieg beenden will. Sein Vorschlag für Glücksgefühle: „Der, der spielt, muss sein Leben geben.“