Zu weit weg vom Mann: Hertha BSC fehlt in Leverkusen die Intensität

Dem schnellen Umschaltspiel von Bayer Leverkusen haben die Berliner nichts entgegenzusetzen. Bislang haben sie die zweitmeisten Gegentore der Liga kassiert.

Marco Richter versucht, das Tor noch zu verhindern, doch der Ball von Jeremie Frimpong findet den Weg ins Tor von Hertha BSC.
Marco Richter versucht, das Tor noch zu verhindern, doch der Ball von Jeremie Frimpong findet den Weg ins Tor von Hertha BSC.Burmann/City-Press

Dem Gesicht von Oliver Christensen war zu entnehmen, dass er wirklich keinen besonderen Spaß daran hatte, den Ball schon wieder aus dem eigenen Tor hinauszurollen. Nach etwas mehr als 20 Minuten musste der Torhüter von Hertha BSC das in Leverkusen bereits zum zweiten Mal tun. Und vielleicht ahnte er da schon: Es sollte an diesem Sonntag nicht das letzte Mal gewesen sein, dass er den Ball wieder an den Anstoßpunkt zurückbefördern musste.

Maximale Intensität, das ist die Forderung, die Sandro Schwarz an seine Spieler stellt, seitdem er im vorigen Sommer seinen Trainerjob bei Hertha BSC angetreten hat. Und dann war es bei der 1:4 (0:2)-Niederlage in Leverkusen wie schon so oft in dieser Saison. Die Berliner begannen gut, engagiert, mit einer strikten Grundordnung. Aber der erste Moment maximaler Intensität ging von Bayer Leverkusen aus. Von Jeremie Frimpong, der blitzschnell durchgestartet war, Richtung Berliner Strafraum zog und dann cool zurücklegte auf Sardar Azmoun. Der brauchte nur noch zum 1:0 (12.) einzuschieben. Einmal umgeschaltet – schwups zum Tor gekommen.

Einmalige Konstellation am Tabellenende

Beinahe im Gegenzug zeigte Hertha, wie es vielleicht auch hätte gehen können: Suat Serdar schlug von links einen langen Pass auf Marco Richter, der kurvte von rechts in Leverkusens Strafraum hinein, sein Schuss jedoch verfehlte das Tor von Lukas Hradecky knapp. Das war zugleich die beste und so ziemlich einzige Torchance, die sich die Berliner vor der Pause erspielten.

Die Leverkusener hingegen kontrollierten die Partie immer mehr, hielten den Ball in ihrem Besitz – bis dann Moussa Diaby auf der rechten Seite das Tempo verschärfte, Filip Uremovic abschüttelte, in den Strafraum zu Frimpong ablegte – dessen Schuss versuchte Richter noch auf der Torlinie zu klären. Doch statt aus dem Tor hinaus bugsierte er ihn etwas unglücklich hinein – 2:0 (21.). Nicht nur Christensen schaute genervt, sondern auch Hertha-Trainer Schwarz. Und Richter donnerte den Ball wütend gleich noch mal in die eigenen Maschen. Es wirkte, als schalteten die Leverkusener einfach zwei Knöpfe schneller um – als dass die Berliner, die erneut mit Dreierkette agierten, bereit zu verteidigen waren. „In der ersten Halbzeit sind wir viele Schritte zu spät gekommen“, sagte Kapitän Marvin Plattenhardt. „Wir haben wenig kreiert, hatten fast keine Torchance. Es war zu wenig von der ganzen Mannschaft.“

Sie hatten sich ja auf sich selbst konzentrieren wollen. Ihr Spiel aufziehen wollen. Gar nicht so sehr auf die anderen schauen wollen. Aber wer ein Sonntagsspiel hat, kennt natürlich die Ergebnisse des Sonnabends. Und da war es hinter dem Tabellen-14. Hertha zu einer Konstellation gekommen, die es in den 60 Jahren des Bundesliga-Bestehens nach Spieltag 23 noch nie gegeben hatte. Die letzten vier Mannschaften weisen genau 19 Punkte auf: VfB Stuttgart, TSG Hoffenheim, Schalke 04, VfL Bochum – allesamt punktgleich. Hertha BSC steht mit 20 Zählern nur ein kleines bisschen besser da.

Rudi Völler sieht, wie Herthas Plan nicht aufgeht

Der Abstiegskampf ist nach wie vor präsent in Berlin. Und wie die Stimmungslage da ganz unten im Keller der Tabelle aussieht, stellte Bochums Abwehrspieler Keven Schlotterbeck nach der Niederlage gegen Schalke, der fünften in Folge, als Mitglied im Ensemble des Tabellenletzten unmissverständlich klar: ein „Scheißdreck-Gefühl“.

In Halbzeit zwei, so war Herthas Plan, hätte man sich in Leverkusen sehr gerne vor den Augen von DFB-Sportdirektor Rudi Völler von diesen mistigen Sphären entfernt. Aber die Sache mit der unbedingten Intensität funktionierte nicht gegen die Leverkusener, die immer einen Schritt schneller waren. Immerhin schickte Dodi Lukebakio, der nach drei Joker-Einsätzen erstmals wieder von Beginn an spielen durfte, so etwas wie einen Torschuss auf den Weg.

Aber die Konsequenz, der unbedingte Wille, die Partie zu drehen, fehlte im Berliner Spiel. Stattdessen zeigte Diaby, dass ihm die Vorlage zum 2:0 noch nicht als Arbeitsnachweis reichte. Erst verfehlte er nach einer Parade von Christensen das Tor, dann traf er wenige Sekunden später die Latte, dann bekam er wenige Sekunden später den Ball von Florian Wirtz mustergültig in den Lauf gepasst. Er startete durch, ließ Agustin Rogel stehen und markierte das 3:0 (61.).

Spielerwechsel ohne Wirkung

Dass Hertha nach einem Foul an Marvin Plattenhardt einen Elfmeter zugesprochen bekam, den Lukebakio verwandelte und damit sein zehntes Saisontor erzielte, gab dem Berliner Spiel ebenso wenig den entscheidenden Schub wie die Einwechslungen von Stevan Jovetic, Jean-Paul Boetius und Jessic Ngankam. Stattdessen gelang auf Leverkusener Seite dem eingewechselten Amine Adli (73.) Treffer Nummer vier für die Gastgeber. Es war Herthas 44. Gegentor in dieser Saison. Nur der VfL Bochum hat bislang mehr kassiert. Die Lizenzunterlagen, die Hertha bis 15. März abgeben muss, reicht der Klub ohnehin sowohl für die Erste als auch für die Zweite Bundesliga ein.