Bei Bier und Bulette: Frank Zander präsentiert sein Buch zur Hertha-Hymne

„Nur nach Hause“: Vor 30 Jahren entstand der Stadionsong. Für Präsident Kay Bernstein gibt es Hertha nur mit diesem Lied. 

Sänger Franz Zander (l.) und Songschreiber Hanno Bruhn bei der Präsentation des Buches „Nur nach Hause“ zum Jubiläum der Hertha-Hymne.
Sänger Franz Zander (l.) und Songschreiber Hanno Bruhn bei der Präsentation des Buches „Nur nach Hause“ zum Jubiläum der Hertha-Hymne.Jürgen Engler/imago

In der Eckkneipe im Reuterkiez, die früher Herthaner hieß und heute Rosel, hat Frank Zander öfter am Tresen gestanden. „Rosel“, findet Zander, „is ne richti’je Kneipenwirtin. Kleen und pfiffig.“ In dem offiziellen Hertha-Fantreff schenkt Rosa-Lina Jungfer Schultheiss, Kindl oder Engelhardt vom Fass in Gläser. Mampe Halb und Halb gibt’s für 1,70 Euro und beim Hertha-Gucken für jedes Tor von Lukebakio, Ngankam oder Richter frei Haus „Kleine Klopfer“.

Bei Rosel stellt Zander, der 81 Jahre alte Grafiker, Sänger und Gitarrist, der in Neukölln aufwuchs und um die Ecke zur Schule ging, das Buch vor, das ab diesen Freitag für 12 Euro im Handel erhältlich ist: „Nur nach Hause geh’n wir nicht. 30 Jahre Frank Zanders Hertha-Hymne.“

Hymnen-Jubiläum und Investoren-Wechsel bei Hertha BSC

Zander, blau getönte John-Lennon-Brille, verwuscheltes Haar, steht in dem Raucherlokal unter der Büste mit Totenkopf, Hertha-Wimpeln, blau-weißen Schals und Trikots von Gabor Kiraly und Zecke Neuendorf, die an der Kneipendecke hängen. „Juten Tach“, sagt er zu den Reportern, den Herthanern und quer durch den Raum zu Hertha-Präsident Kay Bernstein und Geschäftsführer Thomas Herrich.

Zander und Autor Michael Jahn hätten sich zur Buchvorstellung für diese Kneipe entschieden. „In einer Hotelhalle zu stehen, det war mal Hertha. Jetzt ist Hertha zurück zu den Wurzeln, oder Kay?“, ruft Zander mit rauer Stimme. Bernstein nickt. Er hatte zwei Tage zuvor den „Big City Club“ mit all seinem Größenwahn und Lars-Windhorst-Gehabe bei der Vorstellung des neuen Investors Triple Seven beerdigt. Windhorsts Anteile sind verkauft, seine Hertha-Mitgliedschaft hat der Finanzjongleur per Brief gekündigt. Er ist jetzt weg wie die 374 Millionen Euro, die er in den Klub gesteckt hat.

Dafür hilft Triple Seven mit 100 Millionen Euro weiter. Die Investoren aus Miami halten seit ein paar Tagen im Zuge der Kapitalerhöhung 78,8 Prozent der Kapitalanteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA. 74,9 Prozent sind stimmberechtigte Aktien. Eine Sperrminorität von 25,1 Prozent der Stimmrechte bleiben im Verein. Und wie das so laufen kann mit Rechten, Verträgen und Urhebern, hat auch schon Zander mit „Nur nach Hause“ erfahren.

Die Melodie wurde durch Popsänger Rod Stewart als „Sailing“ zum Welthit. Zander und sein Texter erhalten keine Tantiemen für ihre Version. Die gehen an die Universal Music Publishing Group und dann weiter an den schottischen Songschreiber. Klingt fast so kompliziert wie die Vertragsinhalte, die Hertha in den vergangenen Wochen mit Triple Seven ausgehandelt hat, inklusive Neubesetzung von Aufsichtsrat und Beirat.

Die Premiere fand beim Pokalhalbfinale der Hertha-Bubis statt

Lieber als von komplizierten Verträgen erzählt Zander bei Rosel von „den Puschelmädels“ beim DFB-Pokal-Halbfinale der Hertha-Bubis gegen den Chemnitzer FC im März 1993. Zum ersten Mal spielten die Amateurkicker im Olympiastadion. Vor 56.514 Zuschauern. Zander sollte in der Pause aufzutreten. 2:1 stand es da nach Hertha-Toren von Carsten Ramelow und Sven Meyer. Zuerst sang Zander: „Hier kommt Kurt.“ Dann kam das Debüt von „Nur nach Hause“. Zander hatte Schnupfen. Aber er sang – neben sich „zum Glück die Puschelmädels“ und seinen Sohn Marcus. Der riet ihm, sich mal umzudrehen, dort hinzuschauen, wo die Fans sofort ihre Schals schwangen. „Eine Hymne kann man ja nicht schreiben. Es ist ja die Frage, nehmen die Fans das an?“, sagt Zander. Es war ein Wagnis.

Doch die Herthaner waren begeistert. Die Bubis kamen ins Pokalfinale. Im Radio wurde „Nur nach Hause“ rauf und runter gespielt. „Es war halt unser Lied“, sagt Jochem Ziegert in dem Buch. Neben dem damaligen Trainer der Hertha-Amateure hat Autor Jahn etliche Zeitzeugen zum Hymnen-Jubiläum befragt. Einige von ihnen sitzen in der Rosel, wo Zander seine metallicblaue Gitarre auspackt, um das Einlauflied anzustimmen, das zweimal ausrangiert werden sollte. Zuletzt im August 2018. Aber „Dickes B“ von Seed hatte bei den Fans keine Chance gegen „Nur nach Hause“.

„Für mich gibt es Hertha nur mit dem Lied“, sagt Präsident Bernstein. „Ich bin damit groß geworden, sozialisiert.“ Als die damalige Vereinsführung eine neue Hymne installierten wollte, hätten die Fans das Gefühl gehabt, „ihnen wird immer ein bisschen mehr weggenommen; Identifikationswerte gehen verloren“. Erst zerstückeln sie die Spieltage, dann die Hymne.

Dass Bernstein Vereinstraditionen so wichtig sind wie der Kontakt zur Basis, beweist sein Besuch bei Rosel. Im dunklen Dartszimmer nebenan liegen keine Häppchen auf Gueule-Löffeln; es gibt Berliner Büfett. Bernstein packt Buletten, Wiener mit Senf und eine Schmalzstulle auf den Teller. Er plaudert hier, fragt dort nach, schmunzelt, kommuniziert. „Das ist ja das, wofür ich gewählt wurde“, sagt er, „den Verein nach außen zu repräsentieren.“

Auf der Tafel im Kneipenfenster hat Rosel mit Kreide den nächsten Termin für ihn, die Fans und die Profis notiert, die beim Tabellenletzten Hoffenheim antreten: „Samstag, 15.30 Uhr, TSG gegen Hertha BSC“. Und vermutlich wünschen sich nicht nur die Herthaner im Raum, dass es am Sonnabend bei Rosel reichlich Anlass für „Kleine Klopfer“ gibt.