Schrecklich nett: Mit Herthas Investor ist es wie mit dem Elfmeter gegen Mainz
Vor dem Remis im Berliner Olympiastadion verkündet Hertha BSC den Vertragsabschluss mit US-Investor 777 Partners. Nicht allen gefällt diese neue Partnerschaft.

Was sie in der Ostkurve des Berliner Olympiastadions von dem Deal mit dem neuen Investor 777 Partners aus den USA halten, den Hertha BSC am Sonnabend, keine vier Stunden vor dem Beginn des Bundesliga-Heimspiels gegen Mainz 05 offiziell bekannt gegeben hatte, war auf einem Banner zu lesen: „Kontrollverlust fürs schnelle Geld. 50+1 nur noch auf dem Papier?!“ Es sind berechtigte Sorgen, die Herthas treueste Fans da publik machen. Zuvor hatte ihr Verein mitgeteilt, dass 777 Partners, eine private Investorengruppe mit Sitz in Miami, die Anteile übernommen hat, die zuvor von einer Holding-Tochter des Investors Lars Windhorst gehalten wurden. Die Hertha BSC GmbH & Co. KGaA hat in 777 Partners einen neuen Aktionär.
US-Investor 777 Partners übernimmt die Anteile von Windhorst
Der Handel war länger angekündigt: Ende Januar hatte Herthas Finanz-Geschäftsführer Thomas Herrich gesagt, er hoffe auf eine Einigung in den nächsten zwei, drei Wochen. Über 100 Millionen Euro, die die klamme Hertha in Tranchen erhalten sollte, wurde spekuliert.
Das Verhandeln hat länger gedauert, wobei an Herthas Zeithorizont der 15. März immer bedrohlicher näher rückte, an dem die Lizenzunterlagen bei der Deutschen Fußball-Liga eingereicht werden müssen. Heraus kam: Dass der US-Investor die Anteile von 64,7 Prozent von Windhorst übernimmt und im Zuge dessen zwei Plätze im Aufsichtsrat der Hertha BSC & Co. KGaA erhält, der jetzt aus insgesamt fünf Mitgliedern besteht, sowie zwei Sitze im Beirat der Gesellschaft.
Also ähnlich viel Einfluss wie Windhorst ihn hatte. Dafür scheinen die Verantwortlichen bei 777 Partners, die damit begonnen haben, ein globales Multi-Klub-Netzwerk mit Vereinen wie FC Sevilla, Genua C.F.C. oder Standard Lüttich aufzubauen, mehr Fußballverstand zu haben, als es Windhorst je hatte.
Ob 777 Partners nach dem US-Investor KKR und dem Finanzjongleur Windhorst nun ein Investor ist, der Hertha nachhaltig aus der Klemme helfen kann? Dem Klub, bei dem die Verbindlichkeiten seit drei Jahren steigen, das Eigenkapital schrumpft und der für die laufende Saison mit 64 Millionen Euro an Verlusten rechnet? Nun, wie soll man als Fan, als Verein, als Vereinspräsident reagieren auf etwas, das man in dieser Form nicht eingefordert hat, das man aber dennoch wirklich brauchen kann?
Ngankam legt für Hertha per Elfmeter vor, Ajorque gleicht aus
Vielleicht so ähnlich wie Hertha am Sonnabend beim 1:1 (1:0) gegen Mainz, als das Team nach engagiertem, stürmischen, durchaus chancenreichen Beginn durch Eingreifen des VAR von Schiedsrichter Benjamin Cortus einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekam. Der Mainzer Leandro Barreiro hatte den Ball nach einer Flanke von Lucas Tousart minimal mit der Hand touchiert. Keiner der Hertha-Profis, niemand auf dem Rängen, die mit 41.689 Zuschauern besetzt waren, reklamierte einen Strafstoß. Aber Hertha nahm, was es bekommen konnte: Jessic Ngankam verwandelte den Strafstoß souverän.
Der 22 Jahre alte Berliner hatte am Sonnabend zunächst den Vorzug vor Stürmer Dodi Lukebakio bekommen und zumindest in Halbzeit eins mit den anderen für Alarm gesorgt. Mainzer Abschlüsse blieben bis zur Pause aus. Aber nach dem Seitenwechsel war Herthas Elan irgendwo in den Katakomben des Olympiastadions geblieben. Immerhin: In der Defensive stand das Team von Sandro Schwarz zunächst kompakt. Doch dann schlenzte Ludovic Ajorque den Ball wunderschön zum 1:1 für Mainz ins rechte obere Eck.
„Das Ergebnis ist ärgerlich. Wir hatten eigentlich alles im Griff und unsere Taktik ist aufgegangen. Dann wurden wir vielleicht ein bisschen zu passiv und Mainz trifft mit der ersten Torchance“, sagte Ngankam. Hertha BSC wurde offensiv wieder aktiver. Nach einer Ecke setzte Marc Oliver Kempf einen Kopfball an die Latte. Auch Mainz kam zu Chancen. Doch es blieb beim Remis. „Wir haben einen Punkt gewonnen, aber auch zwei verschenkt“, sagte Ngankam, nachdem die Berliner im Abstiegskampf den dritten Heimsieg in Serie verpasst hatten. „Uns ist die Tabellensituation bewusst, aber wir haben alles in der eigenen Hand und schauen daher nur auf uns.“
Nur auf Hertha zu schauen, die Alte Dame von der Intensivstation in die Vitalität zurückzuführen, hat Kay Bernstein vorigen Sommer bei seiner Wahl zum Präsidenten versprochen. Er meinte die sportliche und die finanzielle Situation. Am Wochenende nannte er den Abschluss mit 777 Partners einen zukunftsweisenden Schritt: „Diese strategische Partnerschaft hilft uns dabei, den Restrukturierungsprozess und die wirtschaftliche Konsolidierung von Hertha BSC weiter voranzutreiben. Daher sind wir froh, 777 Partners in der Hertha-Familie begrüßen zu dürfen.“ Wer weiß jetzt schon, ob es ein schrecklich nettes Familienmitglied wird? Vielleicht ist es am Ende mit Investoren ähnlich wie mit Elfmetern. Bekommt man sie, zählt Pragmatismus mehr als Adjektive wie schrecklich oder nett.