Wilfried Kanga könnte die Sehnsucht der Hertha-Fans schon bald erfüllen
Den Blau-Weißen fehlt nicht erst seit der vergangenen Saison ein unberechenbarer und torgefährlicher Mittelstürmer. Der Zugang aus Bern könnte das sein.

Als ich vor dem oft aufregenden DFB-Pokal-Wochenende eine interessante Statistik im Kicker-Sportmagazin las, geriet ich einerseits ins Staunen, andererseits kamen mir die Umfrageresultate durchaus realistisch vor. Gefragt wurde: Welche Bundesligisten scheiden in der ersten Runde des Pokalwettbewerbs aus? Über 63.000 Leser beteiligten sich. Hertha BSC belegte mit 48,5 Prozent deutlich Platz eins! So ist es tatsächlich gekommen.
Auf das Spektakel von Hertha in Braunschweig mit bitterbösem Ende für alle, die es mit dem Hauptstadtklub halten, will ich hier nicht mehr eingehen. Der ewige Traum, irgendwann ins DFB-Pokal-Endspiel im Olympiastadion einzuziehen, ist wieder geplatzt – zum x-ten Mal. Da halfen auch kein neuer Trainer an der Seitenlinie und kein neuer Präsident auf der Tribüne.
Aufbruchstimmung bei Hertha könnte Rückschlag bekommen
Meine Sorge nach der unnötigen Pokalpleite: Geht auch der Liga-Auftakt mit dem Derby beim 1. FC Union am Sonnabend in die Hose, bekommt die Aufbruchstimmung vor allem unter den Fans einen ersten, herben Rückschlag. Der Unmut der Anhänger in der zurückliegenden Saison gegenüber der Mannschaft lag vor allem an den drei Niederlagen gegen den Rivalen aus der Alten Försterei. Diese Pleitenserie wurmte viele Fans gewaltig.
Das 0:2 in Köpenick am 12. Spieltag beschleunigte das Aus für Klub-Ikone Pal Dardai als Cheftrainer in einem Höllentempo. Das 2:3 zu Hause im DFB-Pokal-Achtelfinale im Januar war der Anfang vom Ende von Dardai-Nachfolger Tayfun Korkut. Nur Felix Magath, Chef Nummer drei, verkraftete die heftige 1:4-Heimniederlage am 29. Spieltag im Olympiastadion und stieg noch im letzten Moment zum Retter auf. Kay Bernstein, der neue Präsident, sagte nun: „So wie Union in unserem Wohnzimmer aufgetreten ist – kampf- und spielstark, souverän und selbstbewusst –, so muss unsere Hertha spielen.“
Im kommenden Derby kann es dabei zu einem kuriosen Zusammentreffen kommen. Union hat vor vier Wochen in Mittelstürmer Jordan Siebatcheu den Torschützenkönig der Schweizer Liga verpflichtet. Der gebürtige US-Amerikaner, der auch den französischen Pass besitzt, traf für den vielmaligen Meister Young Boys Bern in 32 Duellen 22 Mal und gab vier Assists.
Nun hat Hertha Siebatcheus Sturmpartner aus der zurückliegenden Saison bei den Young Boys, Wilfried Kanga, nach Berlin geholt. Ablöse: rund 4,5 Millionen Euro. Kanga, Franzose mit ivorischen Wurzeln, schoss für Bern in der Liga in 33 Spielen 15 Tore und gab fünf Assists. Wenn alles gut läuft für die beiden Stoßstürmer, sehen sie sich am Sonnabend in der Alten Försterei als Gegner wieder.
Stephan Chapuisat und Fabian Lustenberger von Kanga begeistert
Ich habe mich in der Schweiz umgehört, ob Kanga vielleicht das Zeug besitzt, sogar einmal an die Leistungen ehemaliger Mittelstürmer-Größen wie Marko Pantelic oder Vedad Ibisevic anzuknüpfen. Nach solchen Typen – unberechenbar, torgefährlich, temperamentvoll und auch schlitzohrig – sehnen sich Herthas Anhänger. Auskunft gab mir in Stephan Chapuisat, 53, ein ehemaliger Weltklassespieler, der zurzeit der Chefscout bei YB Bern ist. „Chappi“ war zweimal Torschützenkönig der Schweiz, und schaffte in seiner Zeit bei Borussia Dortmund stattliche 102 Treffer in 218 Bundesligaspielen. „Kanga ist schnell und beidfüßig stark. Er ist ein wuchtiger Typ, torgefährlich und mannschaftsdienlich. Er kann auch mal über die Flügel kommen. Ein Verlust für uns in Bern.“
Auch Berns „Captain“ Fabian Lustenberger, 34, einst zwölf Jahre im Trikot von Hertha am Ball, der das jüngste Pokal-Aus in Braunschweig im Fernsehen verfolgte, lobt Wilfried Kanga: „Er ist explosiv und besitzt eine starke körperliche Präsenz. Er trifft mit rechts und links, wobei sein rechter Fuß etwas stärker ist. Siebatcheu ist eher ein reiner Strafraumspieler, Kanga vielseitiger.“
Die Worte von Chapuisat und Lustenberger machen mir Hoffnung auf einen Stürmer, der Spaß und Tore macht. Zwei solche Experten können sich ja nicht irren.