Zwischen Maulwurf und Zecke: Hertha stellt Benjamin Weber als Sportdirektor vor

Nach der Derby-Niederlage entlässt Hertha BSC überraschend Manager Fredi Bobic. Tags darauf präsentiert der Club seinen früheren Akademieleiter als Nachfolger.

Herthas neuer Sportdirektor Benjamin Weber wurde am Sonntag vorgestellt.
Herthas neuer Sportdirektor Benjamin Weber wurde am Sonntag vorgestellt.Jan-Philipp Burmann/City-Press

Wenigstens an seinem letzten Arbeitstag bei Hertha BSC ist der Maulwurf Fredi Bobic nicht zuvorgekommen. Niemand im Verein, dem Bobic zuletzt verordnete, „endlich mal die Klappe“ zu halten, hatte das Aus des Managers frühzeitig hinausposaunt. Nicht einmal Bobic selbst wusste nach dem 0:2 gegen den 1. FC Union, der fünften Berliner Derby-Niederlage in Folge, vom Ende seiner Arbeitszeit in Berlin. Denn da gab er kurz vor 18 Uhr im Olympiastadion noch ein Interview, in dem er sagte, zwei ärgerliche Momente hätten das Spiel entschieden: „zwei Torschüsse, zwei Tore“. Und klar, die Jobgarantie für Trainer Sandro Schwarz gelte genauso wie vor dem Spiel. Wie lange? „Durchgehend.“

Nach der Derby-Niederlage ist Fredi Bobic seinen Job los

Knapp zwei Stunden später war jedoch Bobic seinen Job los. Um 19.59 Uhr verschickte der Klub eine knappe Pressemitteilung: „Das Präsidium von Hertha BSC hat gemeinsam mit dem Aufsichtsrat des Hertha BSC e.V. einstimmig entschieden, seinen Geschäftsführer Sport, Fredi Bobic, mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben zu entbinden.“

Die Beschlussvorlage war vor der Partie im Präsidium vorbereitet worden. „Es war keine Kurzschlussreaktion und keine Wir-werden-panisch-Entscheidung“, erläuterte Hertha-Präsident Kay Bernstein am Sonntagmittag im Presseraum von Hertha BSC, „sondern eine wohlüberlegte“. Es sei auch keine Kay-Entscheidung gewesen, sondern eine in Personalausschuss und Präsidium. Spätestens nach dem 0:5 gegen den VfL Wolfsburg am vergangenen Dienstag sei die Entscheidung gereift, den strategischen Kurswechsel sofort zu beginnen – unabhängig vom Derby-Ergebnis.

Nachdem er am Sonntag die Profimannschaft über die Trennung von Bobic unterrichtet hatte, stellte der Hertha-Präsident mit Finanz-Geschäftsführer Thomas Herrich und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Brüggemann Herthas neuen Sportdirektor vor. Der gehört nicht zur Gruppe der üblichen Verdächtigen mit mehr oder minder prominenten Namen wie Rettig, Heldt, Veh oder Mislintat, die gerade ohne Bundesliga-Festanstellung auf eine neue Chance lauern. Dafür ist er ein Mann mit Hertha-Vergangenheit: Benjamin Weber (42). Er war bis vor elf Monaten der im Club hochgeschätzte Leiter der Fußball-Akademie.

„Seine Expertise ist hinreichend bekannt. Er steht für den Berliner Weg. Den gilt es gemeinsam weiter entschlossen und mutig voranzugehen“, meint Herrich. Nach 18 Jahren Tätigkeit im Verein war Weber von Fredi Bobic im Juli 2021 Pablo Thiam als neuer Nachwuchs-Chef vorgesetzt worden. Auf eigenen Wunsch schied der Berliner dann im Februar 2022 aus. In den vergangenen elf Monaten hospitierte Weber bei Manchester United, dem FC Liverpool und Dinamo Zagreb. Er habe auch den früheren Hertha-Keeper Gabor Kiraly in dessen ungarischer Fußballschule besucht und die vergangenen Monate genutzt, um sein Netzwerk weiter zu pflegen, erzählte Weber. Zudem schloss er im Frühjahr einen Management-Lehrgang von DFL und DFB ab. 

Die Personalie ist nicht nur überraschend, sondern auch mutig. Sie zeigt, dass Hertha BSC unter Führung von Kay Bernstein nach überaus turbulenten Jahren wirklich dabei ist, zu sich selbst zurückzufinden und dabei den eigenen Fähigkeiten, der eigenen Tradition zu vertrauen. Statt Big-City-Phantasien, Hollywood-Flair und Großmann-Attitüden geht der Berliner Weg zurück Richtung Basis, hin zu dem, was Bernstein und Herrich am Sonntag immer wieder Hertha-DNA nannten.

Für den neuen Berliner Weg hatte Weber als Bindeglied zwischen Akademie und Lizenzbereich einen weiteren Begleiter vorgeschlagen. Einen, den Bernstein „Herzblut-Herthaner“ nennt: den früheren Profifußballer Andreas „Zecke“ Neuendorf. „Zecke brennt für die Jungs aus Berlin, die hier ihren Weg gehen. Er wird ein wichtiger Partner für die Jungs sein“, erläuterte Weber. Er hatte sich am Sonntagmorgen bereits mit Kaderplaner Dirk Dufner zusammengesetzt – die Transferfrist läuft ja am Dienstag aus. Ob Hertha noch mal aktiv wird auf dem Markt? Dazu gab es am Sonntag keine konkrete Auskunft.

Präsident Kay Bernstein fordert ein Brennen für Hertha BSC

Konkreter wurde Bernstein, als es um Gründe für die Trennung von Bobic ging: „Stand jetzt drei Siege“, antwortete er. Bei 18 Spielen bedeutet das: Tabellenrang 17 für Hertha BSC. Dazu kam eine Klausel, nach der sich Bobics Vertrag demnächst wohl um zwei Jahre verlängert hätte. Nach einem ganzheitlichen Blick auf die Gemengelage habe man entschieden: „Wir brauchen mehr Hertha-DNA auch im Vorleben, im Brennen für den Verein“, konstatierte Bernstein.

Der Druck, sich wirtschaftlich zu konsolidieren, ist bei Hertha nach wie vor groß. Zuletzt machte der Klub zweimal hintereinander um die 80 Millionen Euro Miesen, die Akademie soll laut Bernstein alleine schon aus wirtschaftlichen Zwängen eine größere Rolle spielen.

Bobic bemühte sich zwar erfolgreich, Personalkosten einzusparen. Dennoch fädelte er etliche Transfers ein, die überhaupt nicht zündeten. Bei Herthas Sparkurs verursachte das Gehalt des bisherigen Managers und seines mitgebrachten Stabes selbst eine ordentliche Summe Personalkosten. Dazu hatte Bobic, der im April 2021 nach Berlin kam, in seinem ersten Jahr Hertha-Legende Pal Dardai als Trainer demontiert, sich bei Tayfun Korkut vergriffen und erst mit Felix Magath in letzter Sekunde den Klassenerhalt geschafft. Auch die Trennung von Sportdirektor Arne Friedrich und Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller erfolgte weniger harmonisch, als es oft dargestellt wurde.

Jetzt setzt Hertha auf zwei Identifikationsfiguren. Damit könnte der Verein an der Basis nicht nur Vertrauen gewinnen, sondern auch Zeit. Beides hat Bernstein auch für Trainer Sandro Schwarz übrig. „Unser Trainer steht wie eine Eins. Sandro hat unsere Rückendeckung zu 100 Prozent“, sagte der Hertha-Präsident am Sonntag. Die spielerische Entwicklung des Teams vor der Winterpause habe das Präsidium überzeugt: „Da glauben wir mehr an die Kontinuität, das Zusammenstehen, das gemeinsame Miteinander.“ Bis auf Weiteres jedenfalls.