Hansi Flick und der gefühlte Abschied vom FC Bayern München
Nach dem vorzeitigen K.o. in der Königsklasse gegen Paris St. Germain verdichten sich die Hinweise, dass Flick auf Joachim Löw als Bundestrainer folgt.

Paris-Am vorzeitigen Schlusspunkt der langen Traumreise mit seinen Bayern-Jungs quer durch Europa brach es aus dem entthronten Trainer-Champion Hansi Flick heraus. Der ganze Stress, der Dauerdruck, der Ballast interner Zwistigkeiten und die nicht mehr verhehlten Zukunftszweifel sprudelten nach dem spektakulären, aber nutzlosen 1:0 gegen Paris Saint-Germain wortreich nach außen.
Flick verbreitete Endzeitstimmung
Nach seinem bittersten Sieg im 80. Spiel als Bayern-Chefcoach stand der 56-jährige Flick aufgewühlt im leeren Prinzenpark und gewährte in einem mehr als vier Minuten dauernden Monolog vor der Sky-Kamera tiefe Einblicke in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Die meisten Zuhörer verstanden sie spontan als eine Abschiedsrede.
Flick verbreitete in der Nacht nach dem K.o. im Viertelfinale der Champions League Endzeitstimmung, auch wenn „das Leben weitergeht“. Das heißt erst mal: Noch sechs Bundesligaspiele stehen bis zum 22. Mai an. Dann soll die neunte Meisterschaft am Stück als Single-Titel wenigstens für ein Mini-Happy-End nach dem Triple 2020 sorgen. „Das ist unser Minimalziel. Mehr können wir leider diese Saison nicht mehr machen“, sagte Flick mit leerem Blick.
Gegen PSG fehlte nicht viel, aber doch Entscheidendes. Das Tor von Eric Maxim Choupo-Moting war zu wenig. Die 2:3-Hinspielhypothek wog zu schwer, ebenso die prominente Ausfallliste. „Wir pfeifen ein wenig aus dem letzten Loch“, sagte der famos haltende Kapitän Manuel Neuer zu den großen Lücken, die sich im Luxuskader aktuell auftun. „Gerade in der wichtigsten Phase der Saison haben wir Lewandowski, Gnabry, Goretzka, Süle nicht zur Verfügung“, stöhnte Flick, „Spieler, die uns weitergeholfen hätten.“
Der K.-o.-Hieb von Neymar und Kylian Mbappé wird Nachwirkungen haben. Aus dem Abwehrmodus der monotonen „Nächste-Frage“-Antwort zur Zukunft brach der Sechs-Titel-Coach Flick am Dienstagabend aus. Er liebäugelte erstmals öffentlich mit dem Job von Bundestrainer Joachim Löw. Das Bundestraineramt würde dem Familienmenschen und Opa Hansi „einen anderen Rhythmus“ bescheren, wie er nun selbst kundtat. Ein Rhythmus zwischen Länderspielen, Pausen und Turnieren, für die er ein Faible und Händchen hat, wie das triumphale Champions-League-Endturnier 2020 in Lissabon mit dem finalen 1:0 gegen PSG demonstrierte. Die Vorzüge des DFB-Postens kennt Flick aus acht Jahren als Löws Assistent.
Energiefressender Dauerzwist mit Sportvorstand Salihamidzic
Nach dem bemerkenswerten TV-Auftritt war Flick direkt danach in der Video-Pressekonferenz im ebenfalls menschenleeren Mediensaal der PSG-Arena bemüht, seine artikulierten Gedankengänge wieder ein wenig einzufangen. „Das steht einem auch zu, dass man nicht 30 Minuten nach dem Spiel seine ganzen Gedanken bei sich hat und über die Zukunft sprechen will“, sagte Flick. Er offenbarte eine innerliche Zerrissenheit. Sie ist Resultat der besonderen Belastungen dieser Corona-Saison. Dazu kommt der energiefressende Dauerzwist mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic. „Er macht seinen Job, ich mache meinen Job“, sagte Flick schmallippig.
„Dass ich mir Gedanken mache über meine Zukunft, ich glaube, da hat jeder von Ihnen auch Verständnis“, sagte Flick. Alles kostet Kraft. „Wir haben mit den sechs Titeln auch einen Maßstab gesetzt – und das müssen wir auch weiter machen“, bemerkte Flick. Das Wie hat die Bosse und ihn zunehmend voneinander entfernt. Es wäre nun an Oliver Kahn, dem künftigen Ober-Boss, nicht mehr im Hintergrund zu verharren, sondern Führungsanspruch und damit auch Führungsstärke zu demonstrieren. Karl-Heinz Rummenigge, 65, Flicks wichtigster Unterstützer, ist am Jahresende weg, Kahn übernimmt.
Flick hatte vor dem Rückflug des Bayern-Trosses aus dem sonnigen Paris am Mittwoch erst mal nur zwei Fakten geschaffen: Trotz seines Vertrages bis 2023 nimmt er sich die Freiheit heraus, seine Zukunft maßgeblich zu bestimmen, „egal, wie meine Entscheidung ausfällt“. Und er will auch in der kommenden Saison eine Mannschaft anleiten. „Ich hänge an dem Trainer-Job, und deswegen kann ich mir auch nichts anderes vorstellen als diesen Beruf“, sagte er.