Johannes Thiemann möchte mit Alba Berlin mal nicht im Zug oder Flugzeug feiern

Die Berliner haben am Freitag die Chance, die Finalserie gegen die Münchner mit 3:0 und damit in eigener Halle die deutsche Meisterschaft zu gewinnen.

Am Freitag werden Malte Delow (l.) und Johannes Thiemann (r.) noch einmal alle Kräfte mobilisieren, um auch das dritte Spiel gegen Bayern München und damit die Meisterschaft mit Alba Berlin zu gewinnen.
Am Freitag werden Malte Delow (l.) und Johannes Thiemann (r.) noch einmal alle Kräfte mobilisieren, um auch das dritte Spiel gegen Bayern München und damit die Meisterschaft mit Alba Berlin zu gewinnen.Imago/Camera4+

Schon wenige Minuten vor der Trainingshalle in der Schützenstraße konnten am späten Donnerstagvormittag einen guten Eindruck der Stimmungslage bei Alba Berlin vermitteln. Punktuelle Freude und Jubel waren da durch die offenen Fenster auf dem Gehweg für Passanten und die Kontrolleure des Ordnungsamtes zu vernehmen, in der Trainingseinheit ging es für die Spieler offensichtlich etwas lockerer zur Sache. Kurz vor dem Ende einer langen und kräftezehrenden Saison in Bundesliga, Pokal und Euroleague braucht es keine harten Drills mehr – kurz vor dem möglichen Gewinn der deutschen Meisterschaft muss alle Energie für den letzten Schritt konserviert werden.

Johannes Thiemann ist für Spiel drei einsatzbereit

Besonders Johannes Thiemann hatte seit Dienstag noch einmal genau in seinen Körper hineingehört, und auch der medizinische Test lieferte keine Hinweise darauf, dass die leichte Blessur, die er sich beim Sieg am Dienstag im dritten Viertel am rechten Knie zugezogen hatte, einen Einsatz am Freitag (19 Uhr) verhindern würde. Mit einer 2:0-Führung in der Finalserie gegen den FC Bayern München im Rücken haben Thiemann und seine Teamkollegen in der Arena am Ostbahnhof die große Möglichkeit, die deutsche Meisterschaft vor heimischem Publikum zu gewinnen. „So gerne ich im Zug oder im Flugzeug feiere, würde ich mich auch freuen, wenn man direkt danach auch in Berlin ein bisschen feiern kann“, sagte der Nationalspieler mit einem Lächeln im Gesicht.

In den vergangenen beiden Jahren hat er mit Alba die Meisterschaft jeweils in München gewonnen, der letzte Berliner Titelgewinn in eigener Halle datiert aus dem Jahr 2003. Daraus leitet sich für ihn allerdings kein erhöhter Druck ab: „Das Ziel ist die Meisterschaft und ob es jetzt in Spiel drei, vier oder fünf klappt, spielt keine Rolle. Natürlich wollen wir das so früh wie möglich, aber am Ende zählt die Meisterschaft und nicht, wo wir sie holen.“

Die beiden ersten Spiele aber haben gezeigt, dass Alba das Zeug hat, den Titel in der Best-of-Five-Serie bereits im dritten Duell zu gewinnen. In der ersten Partie waren es die größeren Kraftreserven am Ende des Schlussviertels, in Spiel zwei lag man über die volle Distanz in Führung. „Dass es da hintenraus noch einmal etwas knapper wird, sollte uns nicht passieren“, sagte Oscar da Silva am Donnerstag selbstkritisch, „vielleicht haben wir uns schon zu sehr gefreut, dass wir in München so gut gespielt haben.“

Dem gebürtigen Münchner in den Reihen der Berliner aber hat das noch einmal gezeigt, „dass wir jedes Spiel bis zur letzten Situation zu Ende spielen müssen, weil es gegen Mannschaften auf dem Niveau der Bayern auch mal nach hinten losgehen kann, wenn man zwei Minuten vor Ende mit zehn Punkten in Führung ist“. Nach mittlerweile 75 absolvierten Spielen in drei Wettbewerben, sechs davon gegen die Bayern, wird die letzte Phase der Saison eben in den Köpfen der Spieler entschieden. Körperlich gehen beide Mannschaften längst über ihre Grenzen hinaus, die Berliner aber haben die Belastung mit einer größeren Rotation besser abgefangen.

Nach dem Gewinn des BBL-Pokals hat die Mannschaft von Israel Gonzalez jetzt drei Matchbälle für den zweiten, den wichtigeren Titel. Für den letzten Schritt zur Meisterschaft müsse seine Mannschaft aber die Emotionen unter Kontrolle behalten. Jeder Spieler „muss sich weiter auf Basketball fokussieren und darf nicht an andere Sachen denken. Wir haben eine Menge Spieler, die diese Erfahrung haben.“ Die 2:0-Führung in der Serie ist eine sehr gute Ausgangssituation. Aber: „Es kann die Konzentration nehmen, wenn man gedanklich schon im Club ist oder zwei Bier getrunken hat“, sagt der 28-jährige Thiemann.

Seit 2018 gehört er zum Berliner Kader, hat in seinen ersten beiden Jahren bei Alba allerdings fünf Finals verloren, seit 2020 dafür vier von fünf Titeln gewonnen. „Aus verlorenen Spielen lernt man auch, da haben wir die richtigen Schlüsse gezogen. Der erste Pokaltitel war vielleicht so etwas wie der Befreiungsschlag, da haben wir gesehen, dass wir mit diesem Spielstil nicht nur erfolgreich spielen, sondern auch gewinnen können“, so Thiemann. „Ab diesem Zeitpunkt haben wir gesehen, dass wir auch gewinnen und Titel holen können. Das gibt Selbstvertrauen und das haben wir in den vergangenen Jahren weitergetragen.“

Etwa an Spieler wie Malte Delow oder Jonas Mattisseck. Die Eigengewächse des Vereins können im Alter von 21 (Delow) beziehungsweise 22 Jahren (Mattisseck) bereits jeweils zum dritten Mal deutscher Meister werden, haben im Prinzip nur die Erfolgszeiten aktiv miterlebt. Allein schon die Tatsache, dass sie mit dem Profiteam bislang in jedem national möglichen Finale gestanden haben und dadurch jedes Mal das Gefühl hatten, dass sie bis zum Ende dabei sind und einen Titel gewinnen können, fühle sich einzigartig an, so Mattisseck.

Jonas Mattisseck freut sich auf eine ausverkaufte Halle

Durch Corona waren es zudem jedes Mal unterschiedliche Voraussetzungen. 2020 wurde die Meisterschaft in einem Bubble-Turnier, im vergangenen Jahr immerhin vor ein paar genehmigten Zuschauern gewonnen. „Jetzt spielen wir vor ausverkaufter Halle, das ist auch wieder etwas komplett Anderes und Aufregendes. Es wird nie langweilig“, so Mattisseck. „Dass wir schon ein paar Finals gewonnen haben, hilft uns schon.“

Dass selbst die jungen Spieler bei Alba Berlin solche Erfahrungen bereits gesammelt haben, erhöht die Chance, die dritte Meisterschaft in Folge am Freitag in eigener Halle zu gewinnen. Und dadurch diesmal auf die lange Rückreise im Bus oder im Flugzeug verzichten zu können.