Warum Julian Draxler Paris Saint-Germain verlassen sollte

Die Karriere des 26-Jährigen hat im Verein von Trainer Tuchel einen Knick bekommen. Nun erteilt ihm Bundestrainer Löw einen Rat.

Noch im Dress von Paris Saint-Germain: Julian Draxler.
Noch im Dress von Paris Saint-Germain: Julian Draxler.dpa/Kirchner

Basel-Der Sportinformationsdienst hat am Wochenende eine interessante Aufstellung verschickt. Es ging darin um die teuersten deutschen Fußballspieler aller Zeiten und darum, dass Kai Havertz mit seinem Wechsel für 100 Millionen Euro zum FC Chelsea Timo Werner an der Spitze dieser Hitliste abgelöst hat. Der machte sich bekanntermaßen unlängst von RB Leipzig ebenfalls auf den Weg zum FC Chelsea, für vergleichsweise schlappe 53 Millionen. Auf Platz sechs der teuersten Transfers wird Julian Draxler geführt.

Das mag den versierten Fußballfan zunächst erstaunen, allerdings datiert der Eintrag auf das Jahr 2015. Draxler verließ damals den FC Schalke 04 für 43 Millionen und ein Engagement beim VfL Wolfsburg. Er hatte bei den Schalkern das Gesicht der Zukunft werden sollen. Im September 1993 in Galdbeck geboren, ist er ein Kind der Region und ein Kind der Königsblauen; seit 2001 gehörte er ihnen an. Draxlers Vertragsverlängerung im Frühjahr 2013 wurde dann als Werbung auf Lkw im ganzen Ruhrgebiet präsentiert, pikanterweise auch in Dortmund. Doch nur zwei Jahre später war der vermeintliche Star weg. Der VfL Wolfsburg schnappte zu. Inzwischen spielt Draxler bei Paris Saint-Germain. Aber was heißt hier spielen?

Die Geschichte, die hinter dem Eintrag in der Transfer-Hitliste steckt, liest sich wie ein Märchen aus einer anderen Zeit. Die Realität sieht für Julian Draxler nämlich deutlich bescheidener aus. Joachim Löw hat jetzt eine offene Botschaft an den Nationalspieler gesandt. Sie kam zwar überraschend – und war doch unmissverständlich. „Es wäre wichtig, einen Schritt zu machen, wo er regelmäßig spielt“, sagte der Bundestrainer und meinte damit natürlich einen Schritt zu einem anderen Verein. Ein „längeres Gespräch“ habe er mit dem 26-Jährigen geführt, fuhr Löw fort: „Für Julian wäre es gut, wenn er Woche für Woche im Einsatz ist.“ Also: Nichts wie weg von Thomas Tuchel und Paris Saint-Germain?

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Nur 22 Pflichtspiele für Julian Draxler

Dort kommt das Mitglied der Weltmeister-Elf von 2014 und Kapitän des Confed-Cup-Siegers von 2017 nicht über die Rolle des Edelreservisten hinaus. In der vergangenen Saison brachte es Draxler – auch wegen einer Fußverletzung und einer Viruserkrankung – auf nur 22 Pflichtspiele, auf kein Tor, lediglich zwölf Partien bestritt er von Beginn an. Im Champions-League-Finale gegen Bayern München (0:1) wechselte Tuchel den Offensivspieler erst spät ein (72.).

„Neymar, Mbappe – Thomas Tuchel setzt logischerweise auf diese Spieler“, sagte Löw. Deshalb würde Draxler ein Abschied aus der französischen Hauptstadt „wahrscheinlich entscheidend helfen“. Vor allem mit Blick auf seine Position in der DFB-Auswahl, wo die Konkurrenz kaum weniger groß ist. Die Frage sei nun, meinte Löw, ob Paris den 52-maligen Nationalspieler gehen lasse. Der Vertrag beim Scheichverein Saint-Germain läuft 2021 aus.

Er werde sich in diesen Tagen „auf den DFB konzentrieren, und danach wird man sehen, wie es weitergeht in Sachen Klub“, sagte Draxler nach dem 1:1 in der Nations League gegen Spanien. Beim Neustart der Nationalmannschaft hatte er nach über einem Jahr sein Comeback in der DFB-Elf gegeben. „Er hat das sehr gut gemacht und seine große Klasse gezeigt“, sagte Löw und betrieb Werbung für seinen Nationalspieler: „2017 war er beim Confed Cup der Spieler des Turniers. Dass er viel kann, weiß man.“

Auch Tuchel. „Er ist für mich sehr wichtig, ich mag es, mit ihm zu arbeiten“, sagte Tuchel vor dem Finalturnier der Königsklasse und versprach: „Ich werde in den nächsten Wochen auf ihn zählen.“ Danach aber, so kündigte Tuchel an, „müssen wir reden und uns über die Situation unterhalten“. Dieses Gespräch dürfte Draxler zu Beginn der Woche umgehend suchen.

Er könnte mit seiner neuen Vielseitigkeit für sich werben, Draxler sieht sich längst nicht mehr nur als Mann für die Offensive. „Ich bin inzwischen ein Achter und habe in der vergangenen Saison teilweise auf der Sechs neben Marco Verratti gespielt“, sagte er unlängst. „Ich bin bei PSG ein ganz anderer Spieler geworden.“

Dennoch: Der feine Techniker steht am Scheideweg seiner Karriere. Gibt er sich weiter mit der Rolle als erster Vertreter der Topstars zufrieden? Oder wagt er einen Neuanfang, um woanders zur tragenden Säule zu werden? Wer Löw genau zuhörte, verstand: Will Draxler im kommenden Sommer zum fünften Mal nacheinander bei einem großen Turnier dabei sein, muss er wechseln.