Julian Nagelsmann, der letzte Komantsche
Wie der Trainer des FC Bayern von Pferden lernte, nicht mehr arrogant zu wirken. Und was ihm das in der Kabine bringt.

Berlin - Von wegen Siegeszug der Laptop-Trainer – nichts gegen diese Spezies, die taktikfokussiert und statistikgeladen aus den Akademien purzeln. Aber geht es im modernen Sport nicht eher um den Siegeszug der Komantschen? Um eine Art Abreibungskampf, wie es einst Bruno Labbadia nannte? Wer das Ohr an der Grasnarbe richtig gespitzt und Häuptling Silbermesser, Pardon, Julian Nagelsmann belauscht hat, weiß jetzt, wie die Sache mit dem Siegeszug organisiert sein will.
„Ich hatte immer das Problem, dass Menschen, die mich das erste Mal gesehen haben, immer gesagt haben, der ist extrem arrogant“, berichtete der Trainer der Münchner Profifußballer im neuesten Vereinspodcast des FC Bayern München. Einfach wegschleichen oder Adlerfedern aus dem Warbonnet pflücken, war für Nagelsmann offenbar keine Option.
Stattdessen holte er sich Rat bei einem Trainer, der Führungskräfte mit Pferden konfrontiert. Denn: „Pferde sind ja keine Lebewesen, die bewerten. Pferde reagieren auf deine Aura“, plaudert Nagelsmann weiter. „Und wenn du auf eine Koppel kommst, und alle Pferde laufen weg, dann bist du offensichtlich einen Tick zu dominant in deinem Auftreten.“
Okay, wie haben die Nachfahren von Iltschi und Silvermoon also nun reagiert, als Nagelsmann durch ihre Jagdgründe geschlendert kam? Am Anfang des Seminars, erzählt der 34-Jährige, hätten die Pferde bei seinem Erscheinen versucht, die Zäune zu durchbrechen. Liegt dem „Oha-der-Nagelsmann-raus-auf-die-Great-Plains-Effekt“ eine Weisheit eines Nagelsmann-Vorfahren zugrunde? Udo Lattek hatte einst ja beobachtet: „Sie spielen taktisch gut, obwohl sie ohne Taktik spielen.“
Drei Tage später seien die Tiere dann aber alle zu ihm gekommen, erzählt Nagelsmann: „Und sind mir die ganze Zeit zwei Stunden im Dunkeln auf der Koppel hinterhergelaufen.“
So ähnlich muss es seinerzeit auch Bastian Schweinsteiger auf dem Bayern-Gelände ergangen sein, als er zu einer Zeit, wo brave Pferde sonst im Stehen schlafen, mit einer Frau, genauer gesagt, „seiner Cousine“, im Whirlpool des Klubs entdeckt wurde.
Doch ganz egal, wer wem in tiefschwarzer Nacht hinterherläuft, Nagelsmann sagt, er habe durch viele Gespräche gelernt, anders auf sein Gegenüber zu wirken. „Diese Wirkung versucht man natürlich dann auch, in die Kabine mitzunehmen.“ Körpersprache und Blicke seien da bedeutender als Worte. Komantschen-Häuptling Silbermesser bedächte diese Erkenntnis sicherlich mit einem: „Howgh.“