Kommentar zu Protest der Hertha BSC Spieler: Takeaknee war mehr als nur Marketing

Erinnert sich noch jemand an die Ice Bucket Challenge? Es war im Sommer vor drei Jahren, als Menschen plötzlich mit Eiswasser gefüllte Eimer über ihren Köpfen ausleerten, alles filmten und natürlich gleich posteten. Der Ursprung dieser weltweit gehypten Aktion ist bis heute nicht bekannt. Doch das war ohnehin egal, weil es um einen guten Zweck ging. Man sollte sich nach der Eisdusche erst so gelähmt fühlen wie Menschen, die an Amyotrophe Lateralsklerose leiden, und dann, nach der Herausforderung, Geld spenden für die Erforschung und Bekämpfung dieser schweren Nervenkrankheit. Und ganz wichtig für die Verbreitung: Jeder vom Eis Gekübelte nominierte drei weitere Personen oder Institutionen, die es nachmachen sollten. Hertha BSC kam so auch mal an die Reihe. Das Eiswasser floss vor der Geschäftsstelle.

Für Aktionen wie diese gibt es einen englischen Begriff: virtue signalling. Und dahinter verbirgt sich – vereinfacht – die Beobachtung, dass Menschen gern von sich behaupten, tugendhaft oder mitfühlend zu sein. In der Regel aber folgt auf die Behauptung keine Tat, allenfalls eine Geste. Unter virtue signalling versteht man auch das Platzieren einer Profilbildbotschaft – etwa: refugees welcome! – in sozialen Netzwerken oder auch eine für alle Follower und Freunde sichtbare Trauerbekundung nach Terrorangriffen.

„Hertha fordert Trump heraus“

Am Sonntag vor dem Heimspiel gegen Schalke sind Spieler und Verantwortliche von Hertha BSC kollektiv in die Knie gegangen. Der Klub schloss sich damit einer Protestbewegung (#takeaknee) amerikanischer Sportler an und unterstützte diese – zumindest symbolisch – im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. So sagte es der Stadionsprecher. So postete es Hertha in die ganze Welt.

Und die halbe Welt war begeistert. „Hertha fordert Trump heraus“, schrieb die italienische Zeitung La Stampa. Selbst Fox News, der Lieblingssender des rassistischen US-Präsidenten, berichtete wohlwollend. Und ein deutscher Medienwissenschaftler sagte, hier dürfe niemand schweigen. Doch es gab auch andere Stimmen, die dem Verein vorwerfen, nur Werbung in eigener Sache zu machen.

"Wir stehen für Vielfalt"

Es stimmt, man kann einem an Reichweitenerhöhung sehr interessierten Verein vorwerfen, dass er sich nur tugendhaft und mitfühlend zeigt. Gestern war Hertha weltweit so medienpräsent wie seit dem Busengrapscher gegen Bibiana Steinhaus nicht mehr. Aber es stimmt nicht, dass den Worten keine Taten gefolgt sind in den vergangenen Jahren. „Wir sind Berlin, wir sind eine weltoffene Stadt“, sagte Manager Michael Preetz, „und wir stehen für Vielfalt.“ Das stimmt. Und das Schlusswort gehört Salomon Kalou: „Ein Herz ist zu klein, um darin Hass zu tragen.“