Keine andere Stadt in den USA hat auch nur annähernd eine solch große Leidenschaft für die Leichtathletik wie die WM-Gastgeberstadt Eugene in Oregon. Sechs Jahre vor den Olympischen Spielen in Los Angeles ist das ein Problem für einen Sport, der zwar seit Jahrzehnten wieder und wieder Spitzenathleten aus den USA hervorbringt, dort aber niemanden mehr als heimischen Superstar vermarkten kann. Den Superbowl ausrichten? Oder ein All-Star-Spiel der besten NBA-Basketballer? Die Metropolen des Landes stehen Schlange. Aber die Leichtathletik-WM, die zuvor noch nie in den USA ausgetragen worden ist? Die kriegt eine Universitätsstadt in der Provinz.
Man habe nicht unbedingt die Qual der Wahl gehabt, sagte Weltverbandspräsident Sebastian Coe dazu dem Wall Street Journal. Um das Interesse im Vorfeld von Olympia 2028 auf das erhoffte Niveau zu hieven, braucht es andere Orte für zukünftige Meetings. „Wenn ich ganz unverblümt bin, müssen wir in die LAs, die Chicagos, die Miamis“, sagte Coe. Die interessieren sich bislang aber nicht sonderlich für seinen Sport, dessen einziger Austragungsort für die Diamond League in den USA ebenfalls Eugene ist und der auch auf sehr hohem College-Niveau weniger Zuschauer anzieht als so manches Football-Spiel zwischen zwei High-School-Teams.
Dabei ist das Hayward Field in Eugene unter Leichtathleten durchaus ein bedeutsamer Ort, in den vergangenen Jahren wurde es mehr und mehr zum Synonym für die wegen des hohen Niveaus brutale Olympia-Ausscheidung für Team USA. Erst im Juni ging es dort bei den nationalen Meisterschaften um die Startplätze für die am Freitag beginnende WM.
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Der Sportartikelriese Nike hat dort seinen Ursprung und ist ohne jeden Zweifel einer der Hauptgründe dafür, dass die WM vom 15. bis 24. Juli überhaupt dort stattfindet. Weitsprung-Titelverteidigerin Malaika Mihambo am letzten, Rekord-Weltmeisterin Allyson Felix am ersten und alle anderen Sportlerinnen und Sportler an den acht Wettkampftagen dazwischen werden von fachkundigem Publikum angefeuert werden, das renovierte und für die WM erweiterte Stadion ist ganz auf die Bedürfnisse von Leichtathletik-Veranstaltungen ausgelegt.
Die Infrastruktur für die vielen an einem Großereignis beteiligten Menschen ist aber nicht auf dem Niveau, wie es vorausgehende Gastgeberstädte wie Doha, London und Peking allein wegen ihrer Größe bieten konnten. „Das wird interessant sein, zu sehen, wie das klappt. Vor allem, wenn es sehr heiß ist. Viele der Unterkünfte haben keine Klimaanlage. Wenn da eine Hitzewelle kommt, wird das ein echtes Problem“, sagte Dennis Shaver. Als Direktor an der Louisiana State University verantwortet er eines der besten Leichtathletik-Programme des Landes und hat zahlreiche Olympioniken auf ihrem Weg begleitet. Auch, dass es etwa keine 400-Meter-Bahn unmittelbar neben dem Stadion zum Aufwärmen gibt, kritisierte er. Die vorhandene Bahn ist eher ein Quadrat.
Viele der Unterkünfte haben keine Klimaanlage. Wenn da eine Hitzewelle kommt, wird das ein echtes Problem.
Daran, dass das eng mit Schule und Studium verwobene Nachwuchssystem in den USA der perfekte Weg für talentierte Kräfte ist, hat Shaver keinen Zweifel – an Eugene als bestmöglichem Austragungsort dagegen schon. Das Organisationskomitee der WM dagegen ist naturgemäß überzeugt davon, tolle Wettkämpfe auf die Beine gestellt zu bekommen. „Das sind die ersten Weltmeisterschaften auf US-Boden. Das ist eine Gelegenheit, die wir nicht verpassen dürfen. Im Anlauf auf Olympia 2028 in Los Angeles wird es zunehmend wichtig, Leichtathletik in den USA nach oben zu bringen“, sagte Sprecherin Jessica Gabriel.
Auf die Frage, warum diese erste WM dann aber in Eugene stattfindet, lautete Gabriels Antwort: „Finden Sie jemand anderes, der bereit ist, sie auszurichten.“