Nächster Akt im Fall des HSV-Verteidigers Mario Vuskovic

Schwierige Wahrheitsfindung im DFB-Sportgericht vor dem dritten Verhandlungstag zum mutmaßlichen Epo-Doping des Verteidigers vom Hamburger SV.

HSV-Profi Mario Vuskovic beteuert seine Unschuld.
HSV-Profi Mario Vuskovic beteuert seine Unschuld.Frank Rumpenhorst/dpa

Beim Hamburger SV könnte die Stimmung gerade besser sein. Trainer Tim Walter hat sich anlässlich der 2:4-Niederlage vom vergangenen Sonntag beim Karlsruher SC derart offenkundig danebenbenommen, dass er nach seiner Roten Karte noch froh sein kann, vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes lediglich für ein Spiel gesperrt worden zu sein. Immerhin zeigte der sperrige Chefcoach danach Reue, sollte sein gelegentlich aggressives Benehmen jedoch besser grundsätzlich überdenken.

Walter also wird dem Zweitligazweiten am Samstagnachmittag gegen Holstein Kiel in der Coachingzone fehlen. Ob Kapitän und Abwehrchef Sebastian Schonlau nach seiner Sprunggelenksverletzung wieder auflaufen kann, ist noch unklar. Gemeinsam mit Mario Vuskovic bildete Schonlau im vergangenen Jahr eine zuverlässige Innenverteidigung. Ohne beide glich der HSV zuletzt aber einem offenen Scheunentor.

Der 21-jährige Vuskovic fehlt den Hanseaten nun schon vier volle Monate. Am Freitag um 13 Uhr erscheint der des Blutdopings verdächtige Kroate zum dritten Verhandlungstag im Saal „Golden Goal“ des neuen DFB-Campus vor dem DFB-Sportgericht. Er war am 16. September nach einer unangekündigten Trainingskontrolle positiv auf körperfremdes Epo getestet worden und beteuert vehement seine Unschuld.

Wahrscheinlich, aber nicht gewiss, dass im Verlaufe des Freitagnachmittags ein Urteil gesprochen wird: Die Spanne zwischen der Höchststrafe, einer Vier-Jahres-Sperre, und einem Freispruch ist offenkundig. Sollte DFB-Richter Stephan Oberholz den begabten Abwehrspieler spürbar über einen längeren Zeitraum als die bereits abgesessene Zeit in die neue Saison hinein sperren, dürfte Vuskovic’ opulent besetzte Verteidigung vor dem DFB-Bundesgericht, in Berufung gehen. Sollte der Profi freigesprochen werden, dürfte die Weltantidopingagentur Wada, die sich öffentlich zu dem Fall bislang nicht äußert, Einspruch erheben.

Egal, wie das Gericht urteilen wird: Niemand – außer der Spieler selbst und mutmaßliche Mitwisser – wird danach sicher sein können, ob Vuskovic zur Verbesserung seiner Leistung Epo gespritzt worden ist. Dass das so gewesen sein muss, behauptet das zuständige Dopinglabor in Kreischa, dessen Analyse von Fachleuten aus Oslo (Norwegen) und Quebec (Kanada) bestätigt worden ist. Vuskocic und dessen Arbeitgeber HSV halten mit selbst in Auftrag gegebenen Gutachten aus Norwegen, Kanada, Dresden und Leipzig dagegen. Auch der Mainzer Dopingfachmann Perikles Simon bezweifelt das vorgetragene Ergebnis aus Kreischa vehement.

Vetternwirtschaft der Wada?

Problem für das Gericht, das die dritte Verhandlungsrunde wegen neu vorgebrachter Schriftsätze der Verteidigung um eine Woche verschob: Ein Nachweis des unerlaubten Mittels mit dem sogenannten Sar-Page-Verfahren, das die Wada als Epo-Testmethode vorgibt, beruht nicht auf klaren Messwerten. Sondern auf Interpretationen der Bildgebung von Proteinen in einer Gelmasse. So schwierig ist der Nachweis, das nur wenige Fachleute dazu in der Lage sind. Vuskovic wäre nicht der erste Sportler, der nach einer vermeintlich positiven Ursprungs-Analyse freigesprochen würde.

Pikant zudem: Der vom DFB-Sportgericht zur Untersuchung einer C-Probe beauftragte kanadische Epo-Forscher Jean-Francois Naud aus Kanada ist Mitglied einer achtköpfigen Wada-Arbeitsgruppe, zu der auch der Kollege Sven Voss aus Kreischa gehört, der sich „zu hundert Prozent“ sicher zeigte, dass sein positives Ergebnis das richtige ist, Vorsitzende dieser Epo-Fachgruppe ist Yvette Dehnes, Leiterin des Wada-Labors in Oslo, die in Zweitgutachten sowohl die bei A- als auch B-Probe von Vuskovic ebenfalls als positiv bewertete. Vuskovic’ Verteidiger wähnen Voreingenommenheit und Vetternwirtschaft, weil die Beteiligten sich allesamt gut kennen.

C-Probe abgelehnt

Fachmann Naud lehnte es ab, eine vom DFB-Sportgericht veranlasste C-Probe des noch vorhandenen, tiefgekühlten Resturins von Vuskovic durchzuführen. Das erbetene Gutachten erstellte der Kanadier gleichwohl und kam dabei zu keinem anderen Ergebnis als das Labor in Kreischa. Deshalb hätte es aus seiner Sicht keinen Anlass gegeben, eine eigene neue Analyse durchzuführen. Das Hamburger Abendblatt berichtet gar, die Wada hätte Naud den Entzug der Akkreditierung als Wada-Labor anheim gestellt, sollte dieser eine im Wada-Protokoll nicht vorgesehene dritte Analyse als C-Probe unternehmen.

Beim Hamburger SV unterstützen derweil Mitspieler und Trainer den Verteidiger, der durch den Epo-Verdacht seit Mitte November auch vom Training ausgeschlossen ist. Beim Heimspiel vor zwei Wochen gegen Nürnberg (3:0) reckte Linksaußen Luc Dompé (gegen den aktuell nach einem Unfall wegen Fahrerflucht ermittelt wird) nach seinem Tor zum 1:0 ein Vuskovic-Trikot in die Höhe. Es gab Sprechchöre. Vuskovic war im Stadion. Man könne sich „gar nicht vorstellen, wie es ihm geht“, sagt Mittelstürmer Robert Glatzel, „wenn von heute auf morgen die ganze Welt zusammenbricht und du nicht mehr mitspielen kannst“. Nur: Bei Dopingfällen gilt nicht die Unschuldsvermutung. Sondern der mutmaßliche Täter muss beweisen, dass er unschuldig ist.