Die Bühne könnte kaum größer sein. Über 60.000 Fans, die Fußball-WM-Arena in Kapstadt und ein riesiger Medienrummel: Nach jahrelanger Aufbauarbeit mischt die deutsche 7er-Nationalmannschaft bei ihrer WM-Premiere nun endlich im Konzert der großen Rugby-Nationen mit. Die Vorfreude ist grenzenlos – doch das Wolfpack befindet sich auch auf einer Mission.
„Das ultimative Ziel ist, dass ein Kind Rugby im Fernsehen sieht und sagt, ich möchte das auch ausprobieren – und in einen Verein geht“, sagte Kapitän Carlos Soteras Merz im Interview. Am Freitag (11.29 Uhr MESZ) trifft Deutschland im ersten Spiel der Verbandsgeschichte bei einer Weltmeisterschaft in der Vorrunde auf Chile – es soll eine Initialzündung sein.
Denn: Mit nur rund 16.400 Mitgliedern gehört Rugby Deutschland zu den kleinsten olympischen Sportverbänden der Bundesrepublik. Aktuell spielen lediglich knapp 6000 Kinder und Jugendliche Rugby – eigentlich zu wenige, um sich auch in der Zukunft mit den Top-Nationen messen zu können. Der Verband will wachsen. Umso wichtiger wäre ein Auftakterfolg.
Meistgelesene Artikel
Dann würde schon am Abend (19.03 Uhr) im Achtelfinale mit Gastgeber Südafrika der große Favorit auf das deutsche Team warten – und damit die ganz große Bühne. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es komplett ausblenden würde“, sagte Nationaltrainer Clemens von Grumbkow. Das mögliche Duell gegen die Blitzboks sei „eine riesige Möglichkeit, um sich auf höchstem Niveau zu zeigen“.
Der „ganze Fokus“ liege aber „auf dem ersten Spiel gegen Chile“, erklärte von Grumbkow: „Wenn wir das nicht gewinnen, spielen wir am nächsten Tag um 8.00 Uhr morgens und nicht vor 60.000 Zuschauern, sondern vor 1500. Das macht dann nur halb so viel Spaß.“ Und auch die Mission würde ins Stocken geraten.
Die Aufmerksamkeit, die ein Duell oder gar ein Überraschungserfolg gegen Südafrika mit sich bringen würde, wäre für Rugby Deutschland Gold wert. Die „ein, zwei Fernsehbilder“, die sich von Grumbkow wünscht, könnten zumindest einen kleinen Mitgliederzuwachs bewirken. Ein deutscher TV-Sender überträgt die drei Turniertage aber nicht, die Spiele sind ausschließlich im kostenlosen Stream auf der Website des Weltverbands zu sehen.
Die Chancen auf das Topspiel gegen die Gastgeber stehen dafür gut, Auftaktgegner Chile ist für das deutsche Team durchaus schlagbar. Auch wenn das Wolfpack das letzte direkte Duell gegen die Südamerikaner vor wenigen Wochen in der Challenger Series verlor.
Das Spiel beim nach den Olympischen Spielen wichtigsten Turnier im 7er-Rugby habe jedoch „einen anderen Kontext“, merkte von Grumbkow an: „In Chile waren wir ausgeschieden, alle am Boden zerstört und haben ein bisschen rotiert. Nun geht es wirklich um alles.“ Auch darum, ein paar Kinder in der Heimat zu begeistern.