NBA: Alba Berlin siegt gegen San Antonio Spurs : Spurs Coach Popovich: „Sie haben uns in den Hintern getreten“
Gregg Popovich ist nicht nur Trainer der San Antonio Spurs, des Meisters der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA, also der besten Klubmannschaft der Welt. Popovich hat auch die Gabe, Dinge auf den Punkt zu bringen. In der Nacht zu gestern tat er das mit dem knappen Satz: „Er ist ein Serbe.“ Gemeint war der Kollege Sasa Obradovic von Alba Berlin und dessen Einstellung zu Freundschaftsspielen, wie ja diese Begegnung kurz zuvor in der Arena am Ostbahnhof eine gewesen war. „Er ist ein Serbe“ heißt demnach so viel wie „Ganz oder gar nicht“, was sich am Mittwoch auf Obradovics Team und dessen Vorstellung und am Ende auch auf den Ausgang des Abends niederschlug. Alba siegte gegen die San Antonio Spurs 94:93.
Dramatischer Schlusspunkt
Erstmals bezwang eine deutsche Mannschaft einen Vertreter aus der NBA. Selten wurde deshalb auch ein derart glücklicher Sasa Obradovic in einer Pressekonferenz gesehen. Titel hat er schon einige gewonnen, als Spieler, als Trainer, aber diesen Sieg, sagte der 45-Jährige, „werde ich in meinen Lebenslauf aufnehmen“. Denn damit war nun wirklich nicht zu rechnen gewesen. „Ich habe mir das öffentliche Training der Spurs angesehen“, erzählte Obardovic. „Ich dachte: ,Sie laufen schneller, sie springen höher, sie machen alles besser als wir.’ Ich war ein wenig unglücklich über mein Montagstraining.“
Umso größer später das Glück, denn wenn dieser Abend in der Berliner Mehrzweckhalle Obradovic etwas zeigte, dann dass seine Mannschaft in dieser frühen Saisonphase bereits wieder als Einheit funktionierte. Auch der dramatische Schlusspunkt war ein Gemeinschaftsprodukt. Zunächst hatte Reggie Redding mit einem Dreier 14 Sekunden vor Schluss zum 92:93 den Grundstein gelegt. 5 Sekunden vor dem Ende brachte ein Steel nach Einwurf der Spurs den Ball zu Leon Radosevic, der diesen weiterreichte an Jamel McLean, der dribbelte und punktete. Es war der Wurf seines Lebens, wie der Power Forward später sagte.
Punkte im zweiten Versuch
McLean und die übrigen US-Amerikaner waren die Nervöstesten in einem übernervös beginnenden Alba-Kader gewesen. Möglicherweise weil sie jenen Idolen, mit denen sie aufgewachsen waren, plötzlich in einem Match gegenüberstanden. McLean jedenfalls vermutete das, berichtete aber, dass sie sich nach und nach von dieser Beklemmung gelöst hätten.
Die Berliner taten das, was inzwischen ihrer Natur entspricht. Sie verteidigten konsequent. Oder wie es Popovich formulierte: „Sie haben uns in den Hintern getreten.“ San Antonios Coach präzisierte: Bei der mentalen Bereitschaft und beim Kampfgeist hätte die Alba-Profis seinem Team vorgemacht, wie es geht. San Antonios Flügelspieler Manu Ginobili meinte, sie selbst seien ein wenig eingerostet gewesen in ihrem ersten Saisonspiel nach nur zehn gemeinsamen Trainingseinheiten. Andererseits sei Alba heiß gewesen, ohne dass einzelne den Kopf verloren hätten und aus dem Konzept ausgeschert wären. „Sie waren als Team gut, sie haben den Ball gut attackiert, waren in der Zone sehr aufmerksam, haben von außen Gefahr ausgestrahlt.“
Dass sie gegen den Champion der NBA bei ihrem Stil bleiben würden, überraschte die Berliner nicht, erzählte Nils Giffey. Die Konsequenzen daraus dagegen schon. „Es war Mitte des dritten Viertels, als mir bewusst wurde, dass wir tatsächlich eine Chance haben, das Spiel zu gewinnen.“ Das gab nochmals einen Schub, der auch in der Statistik seinen Niederschlag fand. Etwa bei den Punkten, die im Nachsetzen erzielt wurden, im zweiten Versuch. Während die Spurs lediglich auf vier solcher Punkte kamen, waren es bei Alba am Schluss 20.
Selbstvertrauen für die Zukunft
Popovich ließ derweil einige Akteure länger auf dem Parkett, als er das geplant haben mochte: Tony Parker insgesamt 34:42 Minuten lang, Tim Duncan 32:40 und Boris Diaw 29:39 Minuten. Es war deshalb nur bedingt das, was der Franzose Diaw auf dem Weg in den Feierabend sehr entspannt als „typisches erstes Saisonspiel“ einstufte: „Pas grave“, nicht weiter schlimm, diese Niederlage, so etwas passiert. Und könnte sich nun auf der anderen Seite als ein Glücksfall erweisen. Obradovic sagte jedenfalls: „Ich hoffe, dass dieser Sieg uns Selbstvertrauen für die Zukunft geben wird.“
Bereits am Donnerstag machten sich die Berliner auf den Weg, am Freitag steigen sie bei den Baskets Bonn wieder ins Kerngeschäft ein (20 Uhr, telekombasketball.de), kehren in den Alltag der Bundesliga zurück, der am Sonntag mit dem Heimspiel gegen Ulm (17 Uhr) weitergeht. Am Freitag kommender Woche beginnt die Saison in der Euroleague. Schwierige Phasen werden kommen. Das Bewusstsein, eine Mannschaft von der individuellen Klasse der Spurs einmal besiegt zu haben, könnte da helfen.
Auf Intensität gepolt
Auch das Gegenteil ist Teams schon passiert, folgten auf große Siege große Einbrüche. Doch deutete sich am Mittwoch an, dass diese punktuell verstärkte Alba-Mannschaft wie ihre Vorgängerin auf hohe Intensität gepolt ist. Ihr Trainer ist es sowieso. Dem Kollegen Popovich fiel das sofort auf. Er habe mit Obradovic vor dem Spiel geredet, erzählte er: „Großartiger Junge.“ Nach den ersten Spielzügen hat der Spurs-Coach dann hinübergeschaut zur Alba-Bank, sah Obradovic, sah seine Gesten, hörte seine Schreie. Da war für Popovich die Sache endgültig klar.