Nürnberg verliert: Klose grämt sich

Nürnberg - Wenn erwachsene Menschen vor der Kamera zu weinen anfangen, obwohl kein naher Verwandter gestorben ist, bekommen es Fernsehzuschauer zuweilen mit einem komischen Gefühl zu tun. Man ahnt ja, dass der Anlass dann zuweilen nicht so gut zur Heftigkeit der Gefühlsaufwallung passt.

Die Band „But Alive“ hat das einmal in einem Lied („Sie weinte wirklich“) vertont, das davon handelt, wie eine Kandidatin in einer Gameshow die Fassung verliert: „Wahrscheinlich ging es ums Geld und sie ist Zweite oder Dritte geworden..“

Allerdings ist Fußball keine Show (oder?), weshalb die Tränen, die dem Nürnberger Verteidiger Timm Klose am Samstag die Wangen herunterrannen, im Betrachter nur ein Gefühl auslösten: Mitleid.

Mitleid mit der tragischen Figur einer miserablen Partie, die keinen Sieger verdient hatte. In einem Spiel, in dem der Ball 90 Minuten lang blind von A nach B gekloppt wurde, war der Deutsch-Schweizer Klose ironischerweise zum entscheidenden Mann geworden, weil er sich als einziger Nürnberger für eine spielerische Variante entschied – das allerdings im falschen Moment zur falschen Zeit.

Hecking gnadenlos

Klose, ein durchaus talentierter Innenverteidiger, köpfte in der Nachspielzeit einen langen Ball des Freiburgers Oliver Barth zurück zum eigenen Keeper, übersah in seinem Rücken aber den durchgelaufenen Jan Rosenthal. Ein Foul, ein Pfiff, ein verwandelter Elfmeter. Spiel verloren, den eigenen Klub in den Abstiegskampf katapultiert. Solche Gedanken schießen einem da durch den Kopf – selbst wenn man in der Kreisklasse vor 13 Verwandten kickt. Wie soll es da einem Erstligaprofi gehen, der vor 38.000 Fans Dienst tut und unter der Woche in 30 Interviews erzählen muss, wie wichtig gerade die nächste Partie sei. Kloses Tränen waren keine Tränen für die Kamera, sondern solche vor der Kamera.

Sie sind offenbar gerade alle ein bisschen angefressen in Nürnberg. Offenbar auch Hecking („kapitaler Bock“, „wird er mir erklären müssen“), der sich normalerweise bis zur Selbstverleugnung vor seine jungen Spieler stellt, am Samstag aber einen davon ans Kreuz nagelte, der sich zu diesem Zeitpunkt längst selbst kasteit hatte und mit den Nerven unten war.

„Es tut mir leid“, sagte Klose noch, „dass ich das ganze Spiel kaputt gemacht habe. Da macht man so einen Fehler und stürzt alle in den Abgrund. Das ist unverzeihlich.“ Abgrund? Unverzeihlich? Man kann Klose nur wünschen, dass er die 93. Minute des Samstags mittlerweile in gnädigerem Licht sieht.

Ansonsten wäre endgültig der Trainer gefordert.