Olympia 2012 - Sponsoren: Die Fettsucht-Spiele

Großbritannien ist das dickste Land Europas“, schreibt der Ernährungsforscher Malcolm Clark in seiner neuen Studie. 60 Prozent der Erwachsenen und 30 Prozent der Kinder sind übergewichtig oder fettleibig, bei 70.000 Briten führt ungesunde Ernährung jährlich zu einem früheren Tod – Spitzenwerte in Europa. Politiker aus allen Lagern haben ihre Hoffnung geäußert, dass die Olympischen Spiele zu mehr Bewegung animieren würden. Clark hat da Zweifel.

Die Spiele sollen Vorbilder präsentieren, ihre Organisatoren sprechen von Fairness, Toleranz − und gesunder Ernährung. Wie passt es zu diesem Image, dass zwei der wichtigsten Sponsoren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) McDonald’s und Coca-Cola heißen? In seiner Studie weist Malcolm Clark von der Londoner Ernährungsberatung Children’s Food Campaign nun nach, wie Kalorien, Fett und Zucker das Marketing des größten Sportfestes dominieren, das seit seiner Gründung Jugendlichen eigentlich einen gesunden Lebenswandel vorleben soll.

Sponsoren bringen nicht viel Geld

Das IOC behauptet stets, ohne diese Sponsoren sei Olympia nicht möglich. Clark entgegnet: „Weniger als zehn Prozent der Kosten für die London-Spiele sind von Sponsoren geflossen. Von den Vierjahres-Einnahmen des IOC stammen nur zwei Prozent von McDonald’s und Coca-Cola.“ Das entspricht 140 Millionen Euro, viel Geld, aber gemessen an den Einnahmen durch globale Fernsehrechte: Peanuts. Trotz dieses Anteils genießen beide Marken in ihren Geschäftsfeldern Exklusivität in der Olympia-Welt, damit verhindern sie in den Sportstätten ein vielfältiges Angebot. „Gesunde Ernährung wird einem sehr schwer gemacht“, sagt Clark. „Was glauben Sie, wie lange Eltern im Olympia-Park nach Salat oder Obst suchen müssen?“

Das Marketing der Dickmacher hat früh begonnen: Coca-Cola begleitete den 70 Tage dauernden Fackellauf mit Musikwagen, tanzenden Frauen in roten Hemden und kostenlosen Produkten, rund acht Millionen Menschen verfolgten die Tour. McDonald’s investierte in Fernsehsports, soziale Medien, Gewinnspiele und verschenkte mit seinen Kindermenüs etwa neun Millionen Maskottchen. Auf dem Olympiagelände haben vier Schnellrestaurants geöffnet, darunter das größte der Welt mit 1 500 Plätzen. „Journalisten mögen Superlative“, bemerkt Clark. „Das hat weltweit Schlagzeilen gemacht.“

Vor den Spielen schaute auch Nick Hindle im Großrestaurant vorbei, Vizepräsident von McDonald’s in Großbritannien. Er sagte: „Wir wissen, dass unsere Marke polarisiert. Aber für viele Familien ist ein gemeinsamer Besuch bei uns ganz normal. Wir unterstützen Jugendliche im Sport auf vielfältige Art.“ Eine bewährte Strategie: Coca-Cola und McDonald’s bringen ihre Produkte bei Olympia mit Sport und Gewinnern in Verbindung, sie fördern seit Jahren Graswurzel-Aktivitäten von Jugendlichen und werben für Bewegung. „Das lässt sie harmloser erscheinen“, sagt Clark. „Doch Sport ist nur ein Teil der Lösung gegen Übergewicht. Wichtig ist auch eine gesunde Ernährung – das verdrängen diese Unternehmen.“ Die Konsequenzen dieses massiven Marketings werde die Gesellschaft langfristig spüren. 1 200 McDonald’s-Filialen gibt es schon in Britannien.

Über den Sport zur Marktdominanz

Die Universität Sydney hat die Folgen am Beispiel Australien erforscht. Mehr als die Hälfte der befragten Kinder konnte ein Sportereignis nennen, das von McDonald’s oder Coca-Cola gesponsert wurde. Fast 40 Prozent fanden die Unternehmen wegen der Sport-Verbindung sympathisch. Das IOC hat die Verträge mit beiden Konzernen bis 2020 verlängert. Malcolm Clark und die Kinderernährungskampagne versuchen Politiker davon zu überzeugen, eine solche Marktdominanz nicht noch einmal zu zulassen. 2015 findet in England die Rugby-Weltmeisterschaft statt, zwei Jahre später in London die Leichtathletik-WM.

„Das Thema ist auch im IOC umstritten“, sagt Walther Tröger, langjähriges deutsches Komitee-Mitglied. „Und es wird weiter diskutiert.“ IOC-Präsident Jacques Rogge ließ vor den Spielen in einem Interview mit der Financial Times Zweifel an der Partnerschaft mit den Dickmachern erkennen. Wenige Tage später relativierte er seine Aussagen – auf Druck der Konzernführungen?

Die Winterspiele finden in zwei Jahren in Sotschi statt, die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. „Südamerika ist ein wichtiger und ausbaufähiger Markt“, sagt Malcolm Clark. „Es könnte sein, dass Marktregeln dann noch weniger ernst genommen werden.“ Clark hofft, dass es auch in Brasilien kritische Bewertungen der Sponsoren geben wird, der Titel seiner Studie dürfte aktuell bleiben: „Die Fettsucht-Spiele.“