Die Fechter stechen als erste durch: Paris 2024 und die Russland-Frage
Gut 500 Tage vor der Eröffnungsfeier von Olympia 2024 ist ein Dominostein gefallen: Fechter aus Russland und Belarus stehen vor der Rückkehr auf die Weltbühne.

Ob Zufall oder nicht, die Pointe ist auf jeden Fall bemerkenswert. Ausgerechnet der Internationale Fechtverband (FIE) hat in der Russland-Frage einen Vorstoß gewagt und sich klar positioniert: Russische und belarussische Athleten dürfen wieder an seinen internationalen Wettkämpfen teilnehmen.
Die mit einer guten Zweidrittelmehrheit angenommene Entscheidung beim außerordentlichen FIE-Kongress betrifft die Einzel- und Mannschaftswettbewerbe. Und sie gilt schon ab April, wenn auch „vorbehaltlich möglicher Empfehlungen oder zukünftiger Entscheidungen des Internationalen Olympischen Komitees“ – das von Thomas Bach, Fecht-Olympiasieger von 1976, angeführt wird.
Ukrainischer Verband ist schockiert und empört
Die Entrüstung folgte gut 500 Tage vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris mit Ansage. „Wir sind zutiefst schockiert und empört“, teilte der ukrainische Fechtverband mit. Olympiasiegerin Olha Charlan klagte bei Instagram über „Enttäuschung, Wut, Ungerechtigkeit“. Und wie stets schwingt die Möglichkeit eines Boykotts mit, wenn der Aggressor im Angriffskrieg auf die Ukraine in Paris (26. Juli bis 11. August 2024) dabei sein könnte.
Der US-Verband zeigte sich „enttäuscht, frustriert und beunruhigt – wenn auch nicht allzu überrascht“. Säbelfechterin Lea Krüger, Präsidiumsmitglied im Verein Athleten Deutschland, schrieb bei Twitter, sie sei „einfach nur fassungslos“, und bemängelte, dass das Thema Doping „nicht mal angesprochen“ worden sei. Dem Spiegel sagte Krüger: „Die FIE ist abhängig von den Russen, da gibt es keine unabhängigen Sponsoren.“
Die deutsche Verbandspräsidentin Claudia Bokel dachte schon weiter und sprach von einem „möglichen Zeichen für weitere Abstimmungen in den nächsten Wochen in der Sportwelt“. Subtext: Andere Fachverbände könnten bald folgen. Fechterin Krüger äußerte konkret diese „Sorge“.
Das Ergebnis der FIE-Abstimmung basiere auch auf „Geopolitik“, führte Bokel, von 2012 bis 2016 Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, aus und verwies auf die klare Position der Nationalen Olympischen Komitees aus Afrika und Asien pro Russland/Belarus. Welche Haltung der Deutsche Fechter-Bund (DFeB) selbst einnimmt, ließ Bokel offen.
Das IOC wird wohl bald eine Grundsatzentscheidung zum ewigen Zankapfel treffen. Also die Zulassung russischer und belarussischer Aktiver gemäß dem zuletzt skizzierten Konzept der größtmöglichen Neutralität? Wie auch immer diese aussehen und gewährleistet werden soll. Oder doch ein grundsätzlicher Ausschluss? Das allerdings käme einer kaum vorstellbaren Kehrtwende gleich.
Deutscher Fechter-Bund sieht Probleme auf sich zukommen
Die Uhr tickt jedenfalls. Die Fecht-Weltmeisterschaften in Mailand finden im Juli statt, im April beginnt aber bereits die Qualifikationsphase für Paris. Der Deutsche Fechter-Bund sieht nun „Problematiken bei der Ausrichtung von internationalen Wettkämpfen in Deutschland“ auf sich zukommen. Man erwarte jetzt die Anfrage des Internationalen Fechtverbandes, ob eine Einreise von russischen und belarussischen Sportlern nach Deutschland garantiert werden kann, da sonst wohl ein Entzug von „internationalen Fechthighlights in Deutschland drohen würde“.
Auch müsse man nun „mit den dafür verantwortlichen Instanzen sprechen und abwarten, wie weitere Gremien entscheiden, um diese Fragen, wie zum Beispiel Einreisemöglichkeiten, beantworten zu können“. Dies gelte auch mit Blick auf „weitere Entscheidungen des IOC“ und wie sich „Athleten im direkten Kampf gegen russische und belarussische Athleten entscheiden werden“.