Politik fleht Neymar an: Copa-America-Pläne treffen auf heftigen Widerstand
Das Turnier des südamerikanischen Verbandes soll in Brasilien statt in Argentinien steigen. Doch die Corona-Lage ist nach wie vor verheerend.

Brasilia-Präsident Jair Bolsonaro inszenierte sich noch als Retter der Copa America, da waren die verzweifelten Rufe der Brasilianer nach ihrem Volkshelden längst nicht mehr zu überhören. „Neymar, ich möchte dir etwas sagen“, flehte Senator Renan Calheiros. Der Superstar, in seiner Heimat gefeiert, geliebt und verehrt, solle „nicht damit einverstanden sein, dass dieses Turnier in Brasilien stattfindet“.
Präsident Jair Bolsonaro besteht auf Durchführung
Doch der heftig umstrittene Bolsonaro bestätigte mittlerweile endgültig, dass das Land mit der zweithöchsten Corona-Sterbezahl weltweit als Ausrichter einspringen werde. „Es wird sie geben“, sagte der 66-Jährige mit Blick auf das älteste Fußball-Nationenturnier – und löste damit heftigen Widerstand aus.
Neben Rio de Janeiro mit dem weltberühmten Maracana sind in der Hauptstadt Brasilia und Cuiaba weitere Arenen der WM 2014 sowie Goiania als Spielorte für die Copa (13. Juni bis 11. Juli) vorgesehen. Zuschauer in den Stadien werden nicht erlaubt.
Die Stars um Neymar äußerten sich bislang nicht zur Verlegung an den Zuckerhut. Im Trainingszentrum Teresopolis in der Nähe von Rio bereitet sich die Selecao auf das WM-Qualifikationsspiel gegen Ecuador vor, die täglichen Pressekonferenzen wurden abgesagt. Doch die Kritik aus anderen Bereichen ist gewaltig.
Hunderttausend Tote und gefährliche Virusvarianten
„Es ist ein Wahnsinn, eine solche Veranstaltung hier abzuhalten“, sagte der brasilianische Spezialist für Infektionskrankheiten Jose David Urbaez. Der Epidemiologe Pedro Hallal sprach gar von „einer Verhöhnung der 460.000 Opfer der Pandemie“. Wohl auch deshalb stellten sich einige Gouverneure gegen das Turnier.
Argentiniens Nationaltrainer Lionel Scaloni bezeichnete als erster direkt Betroffener die neue Situation als „alarmierend und besorgniserregend. Offen gesagt ist Brasilien nicht der ideale Ort.“ Auch Chile-Coach Martin Lasarte kritisierte angesichts der Corona-Situation die Vergabe an Brasilien. „Es scheint mir ein gewaltiges Risiko zu sein, denn für mich steht die Gesundheit bei weitem an erster Stelle“, sagte er.
Hunderttausende Tote, eine schleppende Impfkampagne und gefährliche Virusvarianten – die Pandemie wütet in Brasilien noch immer so heftig wie in kaum einem anderen Land.
Im Senat beschäftigt sich inzwischen ein Untersuchungsausschuss mit der ignoranten Politik des rechtspopulistischen Präsidenten, der das Virus immer wieder verharmlost hatte.
Gänzlich anders fielen die Reaktionen beim Kontinentalverband Conmebol nach dem kurzfristigen Aus von Kolumbien und Argentinien als Ausrichter aus. Präsident Alejandro Dominguez dankte Bolsonaro und versprach, dass der Fußball „Millionen Südamerikanern Freude und Leidenschaft“ bringen werde. Den von der Coronakrise schwer getroffenen Nationalverbänden sichert das Turnier dagegen wichtige TV-Einnahmen in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar.
Für Bolsonaro, gegen den es am Wochenende landesweite Proteste gab, ist die Copa America ein willkommenes Marketing-Instrument. „Es ist nicht dieser Wettbewerb, in dem wir uns jetzt messen müssen, sondern der des schnellen Impfens“, sagte Calheiros, der die Untersuchungen gegen den Regierungschef leitet. Um die Austragung der Copa doch noch zu stoppen, wendeten sich Oppositionspolitiker bereits an den Obersten Gerichtshof.