Potsdamer Platz: Warum Alba seine Basketballer in eine Recyclinganlage schickt

Müll? Wo ist hier der Müll? Etwas verloren wirken die Basketballer von Alba Berlin, wie sie da so in einer meterhohen Halle aus Beton stehen. Wären nicht die blauen Muldencontainer ringsum an den Wänden, sie könnten meinen, der Fahrer ihres Teambusses habe sie in eine Tiefgarage entführt. Glücklicherweise aber hat Axel Schweitzer den Spielern vorher beim Start des Ausflugs gestern Nachmittag am Trainingszentrum in Mitte erklärt, dass sie sich jetzt auf den Weg zum Potsdamer Platz machen würden. Dorthin, wo sich früher auf einer Brache hinter der Berliner Mauer die Kaninchen gute Nacht sagten und nach der Wende die Hochhäuser in den Himmel wuchsen.

Schweitzer ist der Chef der Alba Group und der Alba Basketball GmbH, also auch der Spieler in ihren gelben Trikots vor grauem Hintergrund. Wegen ihm sind sie nun hier. Fünfzehn Meter unter dem Potsdamer Platz. Seit drei Jahren ist der Besuch der Berliner Basketballer in einer Recyclinganlage ihres Gesellschafters so sicher wie der Saisonstart im Oktober und die Teilnahme an den Playoffs im Mai.

Vor zwei Jahren war Alba in einer Aufbereitungsanlage für Verpackungsmüll, danach auf einem Schrottplatz und jetzt dort, wo täglich acht Tonnen Müll aus den Geschäften, Restaurants, Hotels und Amüsierbetrieben oben am Potsdamer Platz ankommen, ohne dass sie auf den ersten Blick zu sehen oder auf den ersten Atemzug zu riechen wären.

„Interessanter Start“, sagt Stefan Peno. Der Spielmacher ist seit vierzehn Tagen in Berlin und seit Dienstag dank seiner Unterschrift unter einen Dreijahresvertrag offiziell ein Angestellter der Alba Basketball GmbH. Der 1,95 Meter große Serbe sieht nun, auf welche Art ein Teil seines Gehalts zustande kommt. Durch Müll – oder vielmehr dessen Wiederaufbereitung. „Wirklich. Ein sehr interessanter Start.“ Peno ist bester Laune. Dabei haben sie gerade eine anspruchsvolle Trainingseinheit hinter sich. Ihr Coach Aito Garcia Reneses steht am Anfang, um aus den fünf Profis der vorigen Saison und den sechs Zugängen eine Einheit zu formen.

Mit der Art des Teambuildings wie in der Recyclinganlage kann der Spanier offenbar nicht so viel anfangen, obwohl auch er seine Freude hat. Etwa als er auf der kleinen Zugmaschine Platz nehmen und hupen darf. Hinter ihm reihen sich Müllcontainer aneinander. Darauf sitzen für die vielen und sehr engagierten Fotografen Spieler, dass sich die Plastikdeckel nur so biegen. Die kleineren Profis, die Guards Peyton Siva, Stefan Peno und Spencer Butterfield hocken auf einer Papiertonne. Auf der Tonne von Center Dennis Clifford und Forward Luke Sikma steht: Wertstoff.

Der Amerikaner Sikma soll einer der Schlüsselspieler in der kommenden Saison sein. Er kam vom spanischen Meister und Eurocup-Finalisten Valencia. Der 28-Jährige ist das, was Basketballer smart nennen, verfügt also nicht nur über sogenannte basketballerische Intelligenz, sondern auch den Blick fürs Große und Ganze. „In den USA und in Spanien hat mittlerweile auch ein Umdenken stattgefunden, was den Umgang mit Ressourcen angeht.“ Recycling sei also nicht typisch deutsch, findet er, auch wenn er die technischen Details zur Anlage am Potsdamer Platz „recht interessant“ findet, wie er sagt.

Zum Beispiel, dass der Müll nicht nach der Quadratmeterzahl eines Geschäftes oder einer Gaststätte berechnet wird, sondern nach dem tatsächlichen Gewicht. Jeder Mieter auf dem Areal bringt mit einer Chipkarte bewaffnet seinen Müll weg. Mit dieser Karte öffnet er einen der Müllräume entlang der fünf Kilometer unterirdischer Gänge. Er öffnet damit dann auch die jeweilige Tonne für den zuvor sorgfältig getrennten Müll, so dass die Leute grammgenau wissen, wem sie wie viel Müll zu verdanken und zu berechnen haben.

Natürlich auch Speiseabfälle, die gerade an einer Presse geräusch- und geruchsvoll komprimiert werden. Aus vier Säcken wird einer, erfahren die Basketballer und dürfen in der Hand eines Arbeiters das Ergebnis dieser Verfahrensweise betrachten, die aussehen wie ein Büschel vertrocknetes Gras.

Dass sie hier in Berlin, wo Sikma seit zehn Tagen in einem Appartement von Alba wohnt, verschiedenfarbene Tonnen aufstellen, in die man Verpackungen, Papier, die alten Kartoffelschalen und den übrigen Kram plumpsen lassen kann, findet Sikma eine gute, eine deutsche Erfindung. Die Erfindung eines der Fotografen in der Anlage ist, dass Center Clifford eine Tonne hochhält, in die Spielmacher Siva einen Ball stopft. Auch einer der zehn Mitarbeiter, die täglich in zwei Schichten Müll trennen, kann einem leidtun, weil er sich von Siva austanzen lassen muss.

Die Mannschaft quittiert die Faxen mit Gelächter. „Die Teamchemie ist sehr gut“, sagt Sikma. Sie waren ja schon auf Exkursion in China, wohin Alba in Sachen Müll und Basketball enge geschäftliche und basketballerische Beziehungen unterhält. Auch Coach Reneses lacht. Den ersten Schrecken hat er überwunden, als seine Spieler in einen flachen Raum abtauchten, um sich Fotos vom Potsdamer Platz im Bau anschauten. „Ah gut, die Jungs bücken sich“, hat Reneses gesagt. Danach lernte seinen Vorgesetzten Marco Baldi noch etwas näher kennen. Der Manager erzählte ihm, dass er Anfang der Neunziger, in der Bauphase, von einem Kran aus Bungee-Jumping gemacht habe. Reneses nickte anerkennend. Vielleicht probiert er ja Kranspringen im nächsten Jahr mit seinem Team aus.