Ronaldo weg, Messi verletzt: Wer beim diesjährigen Clásico die Tore schießen soll
Die Welt ist ungerecht. Da muss eine Berliner Staatssekretärin jede Menge Schmähungen über sich ergehen lassen, weil sie mal eine Rolex für läppische 7 000 Euro am Arm trug, und dann schleppt Cristiano Ronaldo eine mit 424 Diamanten besetzte Uhr im Wert von zwei Millionen Euro in eine Pressekonferenz im Old Trafford zu Manchester, und keinen stört es. Im Gegenteil. In Madrid würden viele Fans des Fußballklubs Real vermutlich mit Freuden Geld sammeln, um dem Portugiesen einen doppelt so teuren Chronometer zu verehren, wenn er nur zurückkäme. Doch Ronaldo fühlt sich wohl bei Juventus Turin und verschwendet keinen Gedanken an seinen alten Klub, der zuletzt acht Stunden brauchte, um mal wieder ein Tor zu schießen, gegen Levante, verloren wurde trotzdem mit 1:2.
Nach der Auswanderung von Ronaldo, dessen rund 50 Saisontore Real bitterlich fehlen, und dem Armbruch bei Lionel Messi kommt es am Sonntag zu einem merkwürdig anmutenden Clásico im spanischen Fußball. Wenn die Madrilenen beim FC Barcelona antreten, steht die Begegnung erstmals seit November 2009 nicht im Zeichen des Duells der beiden Antipoden des Weltfußballs. 26 Treffer hat Rekordschütze Messi in seinen 38 Clásicos erzielt, 18 Tore gelangen Ronaldo in 30 Duellen. Nun fragen sich beide Trainer besorgt, wer wohl in Abwesenheit der klassischen Protagonisten die ehrenvolle Aufgabe des Toreschießens übernehmen könnte.
Für Reals Julen Lopetegui mit seinem krisengeschüttelten Ensemble ist die Lage viel prekärer als für Ernesto Valverde bei Barça. Das Jahr, das den Höhepunkt seiner Karriere bringen sollte, ist bisher miserabel gelaufen für den ehemaligen Nationaltrainer. Weltmeister hätte er werden können, doch Lopetegui konnte den Lockungen von Reals Präsidenten Florentino Pérez nicht widerstehen und wurde zwei Tage vor WM-Beginn gefeuert. In Madrid hat inzwischen auch er gemerkt, dass er nur eine Notlösung war, weil die nach dem plötzlichen Abgang von Zinédine Zidane panische Klubführung keinen Plan für die Zukunft hatte. Madrids Medien sind sich einig, dass der Rauswurf nach der langen Torflaute, vier Niederlagen in den vergangenen sechs Partien und Platz sieben in der Tabelle beschlossen ist. Daran wird auch das mühsame 2:1 gegen Viktoria Pilsen in der Champions League nichts ändern.
Die irrwitzige Idee mit Mourinho
Dass Lopetegui überhaupt noch im Amt ist, liegt daran, dass die Vereinsführung nach wie vor Probleme hat, einen akzeptablen Trainer zu finden. Antonio Conte, eigentlich die logische Wahl, gilt als schwierig und ist bei den Spielern wegen seiner autoritären Art, seiner Wutausbrüche und dem berüchtigten harten Training wenig populär. Im Sommer hatte sich Kapitän Sergio Ramos gegen den Italiener und für Lopetegui ausgesprochen.
Pérez hingegen hätte nichts gegen eine harte Hand einzuwenden und soll sogar mit der irrwitzigen Idee einer Rückkehr von José Mourinho liebäugeln, wenn der bei Manchester United entlassen wird. Der Präsident hat einen Narren am Portugiesen gefressen und wollte ihm im Sommer 2013 auch noch einen neuen Vertrag geben, als sich Mourinho mit den meisten Spielern, vielen Klubangestellten und der halben Bevölkerung von Madrid überworfen hatte. Doch der Trainer ging lieber zum FC Chelsea. Ein erneutes Engagement von Mourinho wäre vor allem ein Affront für Führungsspieler wie Ramos, Dani Carvajal oder Marcelo, deren Verhältnis zum Coach zerrüttet war. Sollte keine prompte Lösung gefunden werden, spricht einiges dafür, dass der ehemalige Real-Spieler und Trainer der zweiten Mannschaft Santiago Solari das Team übergangsweise betreut.
Ernesto Valverde ist weit entfernt davon, die Krise bei Real als Vorteil für den Clásico zu sehen. „Sie werden noch gefährlicher sein“, glaubt der Barça-Coach. Dass Messis Ausfall das Team hart trifft, gibt Valverde gern zu: „Seine Genialität wird uns fehlen, aber wir werden versuchen, effektiv zu sein.“ Beim überzeugenden 2:0 gegen Inter Mailand klappte das am Mittwoch schon mal, ebenso wie zuvor beim 3:0 gegen den FC Sevilla, als Messi früh ausschied. Ein Triumph im Clásico wäre der perfekte Abschluss einer erfolgreichen Woche für den ebenfalls holprig in die Saison gestarteten FC Barcelona, und ganz nebenbei die ideale Gelegenheit, dem ungeliebten Rivalen noch einmal unter die Nase zu reiben, dass er mit Cristiano Ronaldo mehr verloren hat als einen eifrigen Uhrensammler.