Routiniers aussortiert: Alfred Gislason setzt vor Länderspielen ein Zeichen

Die deutschen Handballer gehen mit einem runderneuerten Kader in die Länderspiele gegen Portugal. Mit Blick auf die EM 2022 wird der Umbruch vorangetrieben.

Die Torhüter Andreas Wolff und Silvio Heinevetter (v.l.) gehören in den kommenden zwei Länderspielen nicht zum Kader der deutschen Handball-Nationalmannschaft.
Die Torhüter Andreas Wolff und Silvio Heinevetter (v.l.) gehören in den kommenden zwei Länderspielen nicht zum Kader der deutschen Handball-Nationalmannschaft.dpa/Andreas Gora

Berlin-Torwart-Beben beim Debütanten-Ball: Handball-Bundestrainer Alfred Gislason hat das langjährige Torhüter-Gespann Andreas Wolff und Silvio Heinevetter für die Länderspiele gegen Portugal aussortiert und mit der Nominierung von insgesamt fünf Neulingen einen radikalen Neuanfang im DHB-Team eingeläutet. „Mit diesem Kreis möchten wir den Umbruch starten“, verkündete DHB-Sportvorstand Axel Kromer.

Nach dem Rücktritt von Torwart-Routinier Johannes Bitter, der nur noch für den Notfall bereitsteht, verzichtet Gislason in den Duellen mit dem EM-Sechsten am 5. November in Luxemburg und am 7. November in Düsseldorf auch auf Wolff und den 37 Jahre alten Heinevetter. Die DHB-Karriere des ehemaligen Berliner Torhüters zwischen den Pfosten dürfte damit wohl vor dem Ende stehen. Schon bei den Olympischen Spielen gehörte Heinevetter lediglich zum erweiterten Aufgebot, verbrachte die gesamte Zeit in Tokio in einem zwei Kilometer vom Olympischen Dorf entfernten Hotel und hoffte vergeblich auf eine Nominierung. Wolff gehörte in Tokio zwar immerhin zum Kader, jetzt aber eben nicht. „Andi ist zwar noch nicht so alt, macht momentan aber eine schwierige Phase in Kielce durch“, sagte Gislason.

Andreas Wolff war zuletzt bei allen großen Turnieren dabei

Wolff hatte zuletzt alle großen Turniere wie die EM 2018 und 2020, die WM 2019 und 2021 sowie die Olympischen Spiele in diesem Jahr bestritten. Statt der beiden Olympia-Dritten von 2016 berief Gislason den Wetzlarer Till Klimpke und Neuling Joel Birlehm vom SC DHfK Leipzig. „Vielleicht überrascht dieses Aufgebot Außenstehende – für uns ist die Nominierung nur konsequent. Dieser Kader spiegelt aktuelles Leistungsvermögen und Perspektive wider“, begründete der 62 Jahre alte Isländer seine Wahl. „Beide haben sich bei ihren Vereinen in den Vordergrund gespielt.“

Weitere Debütanten sind Spielmacher Julian Köster vom Altmeister VfL Gummersbach, Linksaußen Lukas Mertens vom Bundesliga-Tabellenführer SC Magdeburg, Rechtsaußen Lukas Zerbe vom Pokalsieger TBV Lemgo und Rückraumspieler Hendrik Wagner vom Zweitligisten Eulen Ludwigshafen. „Wir möchten mehr in die Breite kommen, neue Konkurrenz schaffen und in der Auswahl flexibler werden. Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit dieser Mannschaft“, betonte Gislason.

Sein Comeback in der DHB-Auswahl gibt Aufbauspieler Simon Ernst, der vor der Saison aus Berlin zum SC DHfK Leipzig gewechselt war. Der Europameister von 2016 steht nach drei Kreuzbandrissen erstmals seit Jahren wieder im Aufgebot, in dem viele bekannte Namen fehlen. Nicht mehr dabei sind Uwe Gensheimer und Steffen Weinhold, die nach den Olympischen Spielen ihre Rücktritte aus der Nationalmannschaft erklärt hatten. Zudem legt Kiels Kreisläufer Hendrik Pekeler eine längere Auswahl-Pause ein.

Kühn, Häfner und Reichmann erhalten einen Denkzettel

Neben Wolff und Heinevetter erhielten auch die Melsungener Julius Kühn, Kai Häfner und Tobias Reichmann einen Denkzettel von Gislason. „Jeder muss um seinen Platz in der Nationalmannschaft kämpfen, keiner ist automatisch dabei“, sagte der Bundestrainer.

Gislason und Kromer betonten zwar unisono: „Alle Türen werden weiter in beide Richtungen geöffnet sein.“ Doch die junge Generation soll schon bei der EM im Januar 2022 durchstarten. „Alfred hat durchweg Spieler nominiert, von denen wir erwarten, dass sie bereits bei der kommenden Europameisterschaft zentrale Rollen übernehmen können“, sagte Kromer als Sportvorstand des Deutschen Handballbundes. In der EM-Vorrunde trifft die DHB-Auswahl, die seit Olympia-Bronze 2016 bei allen Großturnieren ohne Medaille blieb, auf Weißrussland (14. Januar), Österreich (16. Januar) und Polen (18. Januar).