Berlin-Der falsche Film des Sebastian Vettel hat derart Überlänge, man könnte glatt einen Mehrteiler daraus machen. Seit seiner stillosen Ausbootung bei Ferrari vor einem Jahr, eigentlich aber seit er 2018 als WM-Spitzenreiter im Hockenheimer Kies strandete, hat seine Erfolgssaga eine unschöne Wendung genommen.
Aus dem Draufgänger, der einst unbekümmert zu vier WM-Titeln flog und als der Mann galt, der die Schumacher-Rekorde zum Einstürzen bringen könnte, ist ein zunehmend nachdenklicher Formel-1-Altstar geworden. Auch nach dem Wechsel zu Aston Martin lautet Vettels Realität: Hinterherfahren. „Ein sauberes Wochenende“ sei seine Hoffnung, sagte der 33-Jährige vor dem dritten Saisonrennen in Portimao (Sonntag, 16 Uhr/RTL und Sky). Und das ist kein vornehmes Understatement.
Vettel, dessen Fahrkünste am besten bei einem stabilen Heck zur Geltung kommen, fühlt sich noch nicht wohl im AMR21. Dies liegt auch daran, dass seine „Honey Ryder“, von Vettel nach dem ersten Bond-Girl benannt, nach einer Regel-Novelle nicht mehr zu vergleichen ist mit dem starken Vorjahreswagen seines Teams, das als Racing Point den vierten Platz in der Konstrukteurs-WM erreichte.
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Beim Start in Bahrain lag der Fehler bei Vettel, in Imola zerstörte das Team sein Rennen, bevor überhaupt die Startampel erloschen war. Vettels Moral habe unter den anhaltenden Nackenschlägen und dem Null-Punkte-Start aber keineswegs gelitten, berichtet Otmar Szafnauer. Sein Star-Pilot, der den Rennstall binnen drei Jahren zu einem Sieganwärter machen soll, arbeite „unermüdlich“, so der Teamchef.
Der enorme Eigenantrieb zeichnete Vettel stets aus, doch fehlte ihm bei Ferrari lange Zeit die Rückendeckung – weswegen er sich für Aston Martin und seinen Freund Szafnauer entschied.
Der US-Amerikaner, der sich selbst am hohen Anspruch der Marke messen lassen muss, hält den Druck noch von Vettel fern. Am meisten bereue er, sagte Szafnauer, „dass wir im Winter nicht so zuverlässig waren, wie wir es hätten sein sollen. Das hat Seb signifikant viel Zeit an seinen eineinhalb Testtagen gekostet. Hätte er mehr Zeit gehabt, wäre er jetzt schon woanders auf der Lernkurve.“
Immerhin geht Vettel mit einem gewissen Enthusiasmus in den dritten WM-Lauf. Es mache „Spaß“, auf dem abwechslungsreichen und anspruchsvollen Kurs nahe der Küste zu fahren, erklärte der 53-malige Grand-Prix-Gewinner. „Ich denke, Portimao ist eine gute Strecke, um die Limits des AMR21 besser zu verstehen“, sagte Vettel und räumte unumwunden ein: „Ich weiß, dass ich noch nicht das Maximum aus dem Auto heraushole.“