„Seltsam und verrückt“: Barcelonas waghalsige Wette auf die Zukunft

Der mit über einer Milliarde Euro verschuldete FC Barcelona geriert sich als Transfer-Krösus. Das wundert nicht nur Julian Nagelsmann.

Robert Lewandowski trainiert nach seinem Wechsel seit dieser Woche beim FC Barcelona. Seine Verpflichtung ist längst nicht der einzige millionenschwere Transfer der hoch verschuldeten Katalanen.
Robert Lewandowski trainiert nach seinem Wechsel seit dieser Woche beim FC Barcelona. Seine Verpflichtung ist längst nicht der einzige millionenschwere Transfer der hoch verschuldeten Katalanen.AFP

Noch ohne Neuzugang Robert Lewandowski hat der FC Barcelona das erste Spiel seiner Nordamerika-Reise klar gewonnen. Gegen Inter Miami siegte der spanische Fußballklub 6:0 (3:0). Robert Lewandowski ist zwar mit der Mannschaft in die USA gereist, kam aber in diesem Spiel noch nicht zum Einsatz. Nach vielen Wochen der Ungewissheit, in denen der Pole immer wieder seinen Wechsel forcierte, war der 33-Jährige am Wochenende aus München via Mallorca nach Miami zu seinem neuen Team nachgereist, nachdem sein Wechsel vom FC Bayern zu Barcelona bestätigt worden war. Der Transfer war am Dienstagabend (MESZ) finalisiert worden. Lewandowski wird nach Angaben der Katalanen einen Vierjahresvertrag unterzeichnen, der eine Ausstiegsklausel in Höhe von 500 Millionen Euro enthält. In der Mitteilung hieß es zudem, dass die Ablösesumme 45 Millionen Euro betrage und durch Bonuszahlungen auf 50 Millionen Euro steigen könne.

Lewandowskis Ex-Coach Julian Nagelsmann kommt die millionenschwere Transfer-Offensive des FC Barcelona spanisch vor. „Das ist der einzige Klub der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will“, sagte der Trainer von Bayern München spitz und lächelte kopfschüttelnd: „Das ist seltsam und verrückt.“

FC Barcelona hat mehr als eine Milliarde Euro Schulden

Und angesichts eines Schuldenstands von weit über einer Milliarde Euro nicht nur für Nagelsmann völlig unerklärlich. Barca habe sich ja nicht nur mit dem Münchner Torgaranten Robert Lewandowski verstärkt, meinte der Coach sichtlich irritiert, „sie kaufen viele Spieler – ich weiß nicht wie. Irgendwie finden sie Lösungen, keine Ahnung. Aber sie haben jetzt auf jeden Fall eine bessere Mannschaft“.

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Weltfußballer Lewandowski kam für bis zu 50 Millionen Euro, der Brasilianer Raphinha für 58 Millionen, der im Winter verpflichtete Ferran Torres kostete 55 Millionen. Barca verzeichnet in diesem Sommer das drittgrößte Transferminus in Europa – und ist noch lange nicht fertig: Auch Cesar Azpilicueta (FC Chelsea) und Jules Kounde (FC Sevilla) werden teuer.

Der umtriebige Präsident Joan Laporta träumt von einer Wiederholung der goldenen Ära unter Pep Guardiola, als man mit Weltstar Lionel Messi den Fußball dominierte. „Barca muss wieder führend auf der Welt werden“, sagte er. Dabei verglich Laporta seinen klammen Klub noch im Juni mit einem „Patienten, der in finanzieller Hinsicht praktisch tot“ sei.

Finanzchef Eduard Romeu berichtete blass, es brauche 500 Millionen, um Barca „zu retten“. Um das zu schaffen und zugleich die Mannschaft wieder konkurrenzfähiger zu machen, verpfändet er das Tafelsilber. US-Investor Sixth Street zahlt für zehn Prozent der Einnahmen aus den Liga-TV-Rechten der kommenden 25 Jahre 207,5 Millionen. Weitere 15 Prozent sollen über 300 Millionen einbringen, 49,99 Prozent der „Barca Licensing&Merchandising“ zudem 200 bis 300 Millionen.

Die Katalanen leisten sich Luxus auf Pump – und gehen eine riskante Wette auf die Zukunft ein. Der Umsatz, so die kühle Kalkulation, soll bald wieder auf die Zeit vor Corona steigen und Barca als erster Klub die magische Milliarden-Schallmauer knacken lassen. Parallel soll Trainer Xavi mit Topspielern wie Lewandowski an frühere Erfolgszeiten anknüpfen und mittels Titeln höhere Erlöse einspielen.

Sergio Busquets oder Gerard Pique stimmen Gehaltskürzungen zu

Gleichzeitig spart Laporta mit waghalsigen Finanzmodellen bei den Gehältern: Alte Ikonen wie Sergio Busquets oder Gerard Pique stimmten Kürzungen zu, neue Stars verdienen zunächst vergleichsweise wenig, im zweiten oder dritten Vertragsjahr aber umso mehr.

Mithilfe dieser Tricks sollen die Finanzregeln der spanischen Liga erfüllt werden, laut derer Barca für jeden gesparten oder verdienten Euro nur 33 Cent ausgeben darf. Trotzdem durften all die neuen Lewandowskis bislang noch nicht mal bei La Liga registriert werden.

Der Fußball-Finanzblog „Swiss Ramble“ schreibt von einem waghalsigen Spiel mit dem Feuer, die Katalanen hätten „sehr wenig aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt“ – und blicken daher in die Zukunft: auf die Super League als Lösung aller Probleme. Die Reichenliga lockt mit 270 Millionen Euro Willkommensbonus. Da reibt sich nicht nur Nagelsmann verwundert die Augen.