„Kleine Zitterpartie“ mit Happy End: Martin Nörl gewinnt WM-Silber

Martin Nörl verpasst Gold erst auf dem Zielstrich, gewinnt aber als erster deutscher Snowboardcrosser seit 22 Jahren eine WM-Medaille.

Aufholjagd: Martin Nörl (l.) sicherte sich im Snowboardcross bei den Weltmeisterschaften noch die Silbermedaille.
Aufholjagd: Martin Nörl (l.) sicherte sich im Snowboardcross bei den Weltmeisterschaften noch die Silbermedaille.Valentin Flauraud/Keystone/dpa

Martin Nörl stand mit einem Krampf im rechten Oberschenkel am Fuße des Kleinen Kaukasus und zitterte sich durch die dramatischsten Minuten seiner Snowboarder-Karriere. Dass er Gold im Cross-Wettbewerb auf den letzten Metern verspielt hatte, war dem 29-Jährigen sofort „klar“, doch würde es noch zu Silber reichen? Der Österreicher Alessandro Hämmerle, Olympiasieger von Peking, hatte gegen sein riskantes Überholmanöver protestiert, die Jury beriet sich eine gefühlte Ewigkeit – dann stand endlich fest: Nörl ist Zweiter!

Von Enttäuschung über den verpassten Gold-Coup war nach der „kleinen Zitterpartie“, wie der Niederbayer das „doofe“ Warten nannte, aber nichts zu spüren. Er fand es vielmehr „saustark“, dass er sich jetzt Vizeweltmeister nennen darf. „Ich bin froh, dass es so lief, meine Bretter waren unglaublich stark“, sagte der Sportsoldat erleichtert.

Erinnerungen an Olympia-Entscheidung von Peking

Die Szenerie erinnerte an die Olympia-Entscheidung im Skicross von Peking, wo Daniela Maier lange um ihre Medaille hatte bangen müssen. Ihr Duell mit der Schweizerin Fanny Smith hatte ein sportgerichtliches Nachspiel, nach Monaten der Diskussionen erhielten beide Bronze.

Nörl gelang geradezu Historisches: Der Gesamtweltcupsieger des vergangenen Winters und aktuell Führende holte im georgischen Bakuriani die erst zweite Medaille für Snowboard Germany in dieser Disziplin nach Markus Ebner, der 2001 ebenfalls Silber gewonnen hatte.

Anders als seine große Kristallkugel, die er sicher vor seinen drei und vier Jahre alten Töchtern in einem Koffer bewahrt, soll Nörls Plakette zu Hause einen Ehrenplatz bekommen. „Die ist ein bisschen stabiler“, sagte er schmunzelnd und wog seine Medaille prüfend in der Hand, „die kann man schon irgendwo hintun.“

Im Teamwettbewerb am Donnerstag kann Nörl an der Seite von Jana Fischer, die gute Sechste wurde, nachlegen. Sofern der Oberschenkel hält. Seit dem Achtelfinale hatte Nörl Probleme, danach standen drei weitere Läufe über den mit über 1,3 Kilometer recht langen, kräftezehrenden Kurs an. „Genuss-Snowboarden war das jetzt nicht mehr“, meinte Nörl lachend.

Entscheidung fällt erst per Zielfoto

Immer wieder mussten Arzt und Physiotherapeut ran. Dennoch fiel die Entscheidung erst per Zielfoto. Doch weil der neue Weltmeister Jakob Dusek (Österreich) seine Brettspitze „ziemlich deutlich“ vor ihn geschoben hatte, trauerte er Gold nicht groß hinterher.

Auch Fischer zeigte eine couragierte Vorstellung und belohnte sich mit ihrer besten WM-Platzierung. Gold ging an Olympiasiegerin Eva Adamczykova aus Tschechien, die ihren zweiten WM-Titel nach 2019 gewann.

Der erst 18 Jahre alte WM-Debütant Leon Ulbricht fuhr stark, verpasste das Halbfinale nur um 0,11 Sekunden und wurde Neunter. Leon Beckhaus schied im Achtelfinale aus. Paul Berg, WM-Sechster von 2021 und zweimaliger Weltcupsieger, scheiterte in den sogenannten Pre-Finals am Vormittag.