So funktioniert Vetternwirtschaft im DFB
Reinhard Grindel inszeniert sich gerne als großer Reformer. Begriffe wie „Compliance“ und „Fair Play“ mag er. Als Verbandspräsident will er einen „neuen DFB“ erschaffen. Transparent und sauber soll es zugehen in Frankfurt. Doch die Frage ist: Wie genau nimmt und nahm es der 2016 zum Präsidenten gewählte Grindel, wenn es um konkrete Fälle, etwa von Vetternwirtschaft, geht? Zu einer Zeit, als er beim Verband seine Karriere begann – als Regelwächter?
Grindel wird 2010 wohl auf Empfehlung des DFB-Vizepräsidenten Karl Rothmund Anti-Korruptionsbeauftragter. Die beiden sind CDU-Parteifreunde. Sie haben sich 2006 während der WM kennengelernt. Grindel sitzt für die Union seit 2002 im Bundestag. Rothmund ist seit 2005 Präsident des Niedersächsischen Fußballverbands (NFV) und seit 2007 Vize in Frankfurt. Dort kümmert er sich um sozial- und gesellschaftspolitische Aufgaben – und somit um die DFB-Stiftungen. Er ist im Vorstand der Sepp-Herberger-, der Egidius-Braun- und der Robert-Enke-Stiftung.
Grindel, der in der CDU-Fraktion über den Posten des Hinterbänklers nicht hinaus kommt, macht im Fußball schnell Karriere: Ab Ende 2010 sitzt er auch im Kuratorium der Enke-Stiftung. 2011 wird er 1. Vizepräsident des NFV. Beide Posten verdankt er, so heißt es, wieder Rothmund. Der schätzt den ehemaligen Journalisten so sehr, dass er ihn bald als Nachfolger im in Barsinghausen beheimateten NFV in Betracht zieht. Der Ort liegt südwestlich von Hannover. Dort sitzt auch die Treurat Steuerberatungsgesellschaft mbH. Geschäftsführer ist der Sohn von Karl Rothmund.
Die drei DFB-Stiftungen unterhalten seit Jahren Geschäftsbeziehungen zur Treurat. Man sei ein „vertrauensvoller und verlässlicher Partner in allen steuerlichen Angelegenheiten“, heißt es auf der Firmen-Website. Drei Aufträge, die der Vater dem Sohn vermittelte?
Ja, sagt die 2016 gegründete unabhängige DFB-Ethikkommission, die den Fall nach einer Anfrage des Kicker-Sportmagazins geprüft hat. Am 12.03.2018 kommt das Ergebnis: „Herr Karl Rothmund hat in den Jahren 2009 bis 2011 an der Auftragsvergabe zu Gunsten der Fa. Treurat auf Seiten der Stiftungen mitgewirkt.“ Ein Verfahren werde nicht eingeleitet. Rechtlich gesehen sei die Sache verjährt. Doch es gibt Unstimmigkeiten. Offenbar hat der DFB die Kommission falsch und lückenhaft informiert.
Sohn steht seit 2008 im Handelsregister
Die Enke-Stiftung wurde erst 2010 gegründet. Die beiden anderen Stiftungen begannen die Geschäftsbeziehung mit der Treurat GmbH, dies bestätigen beide auf Anfrage, erst 2010 und 2011. An wen wurde 2009 ein Auftrag vergeben?
Und: Klaus Kinkel, ehemals Bundesaußenminister und Kommissionsvorsitzender, sagt, die Kommission habe weder mitgeteilt bekommen, dass es damals mit Reinhard Grindel einen Anti-Korruptionsbeauftragten beim DFB gab, noch dass Rothmunds Sohn Jens schon 2008 Geschäftsführer der Firma war. So steht es aber im Handelsregister.
Noch ein Detail ließ der DFB aus: Auch der in Bremen ansässige Norddeutsche Fußballverband (NordFV) war schon damals und ist bis heute Kunde der Treurat. Karl Rothmund wurde gemäß Homepage 2006 Schatzmeister beim NordFV. Heute ist er Vizepräsident Finanzen. 2013 wird Jens Rothmund sogar vom Regionalverband in die DFB-Kommission Steuern und Abgaben entsandt.
Man habe Jens Rothmund wegen seiner „Qualifikation“ ausgewählt, sagt der NordFV- und DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg. Ja, der Kontakt zur Treurat sei über Karl Rothmund zustande gekommen. Nachdem Rothmund 2006 festgestellt hatte, dass die Buchhaltung des Verbands „in der bisherigen Form“ nicht mehr ausreichend war. Er habe dann „mit Zustimmung des Präsidiums“ diese mit der Buchführung beauftragt.
Damals hatte die Firma einen anderen Geschäftsführer. Rothmund Junior ist dort wie bereits erwähnt seit 2008 Geschäftsführer. Der ursprüngliche Chef sei 2011 altersbedingt ausgeschieden. Die Zusammenarbeit solle nun, „auf Empfehlung“ der Revisionsstelle des Verbands fortgesetzt werden. Auf die damit verbundene Ausschreibung und Empfehlung habe Rothmund Senior keinen Einfluss genommen.
Vater und Sohn werden auch zukünftig eng zusammenarbeiten. In der Finanzordnung des Verbands heißt es: „Debitoren- und Kreditoren-Konten werden vierteljährlich durch den Vizepräsidenten Finanzen, den Geschäftsführer und die Treurat Steuerberatungsgesellschaft mbH vorgenommen und ggf. Mahnverfahren eingeleitet.“
Vier belegbare Fälle
Fakt ist: In vier belegbaren Fällen war der Sohn eines DFB-Vizepräsidenten Nutznießer einer Auftragsvergabe. An mindestens drei Vergaben war der Vater direkt beteiligt - sowie an der späteren Nominierung des Sohnes für die DFB-Kommission Steuern und Abgaben.
Hat der damalige Anti-Korruptionsbeauftragte Reinhard Grindel, der selbst lange in der Kommission saß, jemals Bedenken geäußert? Diese Frage lässt der heutige DFB-Präsident unbeantwortet. Er teilt auf Anfrage mit: „Die Zusammenarbeit mit der Treurat hatte ihren Anfang bevor ich meine Ämter in den Stiftungen angetreten habe. Die Geschäftsführung hat mir immer versichert, dass die Treurat fachlich gute und preislich angemessene Arbeit leistet.“
Die Frage, wie die Treurat an die Jobs gekommen ist, hat er sich folglich nie gestellt. Und eigentlich brauchte er die Bestätigung der Geschäftsführung gar nicht. 2013 wird er DFB-Schatzmeister und somit auch „Schatzmeister der Stiftungen“. Wie Grindel in seiner auf der eigenen Homepage veröffentlichten Rede zum Amt ausführt.
Bewusst weggeschaut?
„Offenbar hat er damals weggeschaut, um die eigene Karriere nicht zu gefährden“, sagt Jürgen Scholz. Der Rechtsanwalt und ehemalige Sportrichter aus Hannover kritisiert vermeintliche Seilschaften, die es bei Grindels Heimatverband, dem NFV, und beim DFB geben soll, seit Jahren.
Was bisher allerdings nicht bekannt war: Während Grindels Förderer Rothmund in den Jahren zuvor seinem Sohn Jobs besorgte, hatte der Verbandsboss Ärger mit der Staatsanwaltschaft Hannover, Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen. Die Behörde ermittelte ab 2008 gegen ihn und vier weitere Beschuldigte. Der Vorwurf lautete Vorteilsannahme und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
Das Verfahren wurde gegen Auflage nach § 153 a der Strafprozessordnung eingestellt. Eine Zahlungsauflage betrug 45.000 €. Worum es bei der Tat ging, ist unklar. Die Akten wurden 2017 nach Ende der gesetzlichen Ablauffrist vernichtet. Eine Spur führt aber zu einer Sport-Marketingagentur in Hannover, die auch enge Verbindungen zum DFB hatte. 2005 wurde die Firma aufgelöst.
Staatsanwaltschaft ermittelte von 2008 bis 2010
Rothmunds NFV war an der Agentur beteiligt, ebenso wie ein großer, in der Region beheimateter Konzern, bei dem der Fußballfunktionär auch im Aufsichtsrat saß. Der ehemalige Vorstandschef des Unternehmens war ebenfalls Beschuldigter im Verfahren. Er taucht später auch beim DFB auf. Korruptionsermittlungen gegen einen DFB-Vize? Was sagen der DFB und Karl Rothmund selbst dazu?
Direkt äußert sich Karl Rothmund zum Verfahren nicht, auch nicht zu den Auftragsvergaben an seinen Sohn. Allerdings hat er nach der Anfrage von NDR und Berliner Zeitung mit NordFV-Chef Eugen Gehlenborg darüber gesprochen. Karl Rothmund habe ihm mitgeteilt, sagt Gehlenborg, „dass es damals um eine steuerrechtliche Bewertung einer Einnahme ging“.
Rothmund habe sie selbst gemeldet. Gehlenborg sagt auch, die Ermittlung läge fast „zwei Jahrzehnte zurück“. Das ist falsch. 2008 begann die Staatsanwaltschaft Hannover sich mit dem Fall zu beschäftigen. 2010 kam dann die Einstellung – gegen Zahlung der Auflage. Ganz koscher war die Sache also nicht.
Ehemaliger Anti-Korruptionsbeauftragter
Grindel wiederum sagt, ihm sei das Verfahren nicht bekannt. Möglich ist das. Dennoch sind die Ermittlungen per Fax in den Akten des NFV, deren Vizepräsident Grindel war, beim Registergericht dokumentiert. Eine Mitteilungspflicht gibt es allerdings nicht.
Für Rechtsanwalt Jürgen Scholz ist die Sachlage klar: „Die genannten Fälle zeigen nachdrücklich, dass die Beteiligten keinerlei Hemmungen hatten und haben, sich Vorteile und Posten zu verschaffen. Es ist, ob der Ämter Grindels und der engen Beziehung zu Karl Rothmund nahezu ausgeschlossen, dass er nichts gewusst haben will. Als ehemaliger Anti-Korruptionsbeauftragter, Sachverständiger zum Thema Korruption im Sportausschuss des deutschen Bundestags sowie als dessen stellvertretender Vorsitzender dürfte er für diese Problematik hinreichend sensibilisiert sein.“
In Barsinghausen geht alles seinen gewohnten Gang. Rothmund wurde erst kürzlich zum Ehrenpräsidenten ernannt. Und in gewisser Weise wurde die Anfrage an ihn letztlich doch direkt beantwortet: Es kam eine automatische Mail mit einer Urlaubsnachricht einer Verwandten des NFV-Ehrenpräsidenten zurück. Sie arbeitet auch im Verband. Man solle sich an eine Kollegin wenden, ab dem 9. April kümmere sie sich wieder gerne.
Dieser Artikel basiert auf gemeinsamen Recherchen des Norddeutschen Rundfunks und der Berliner Zeitung. Mitarbeit: Han Park.
Die NDR-Sendung „Sportclub“ beschäftigt sich am Sonntag (8.4.) um 22.50 Uhr mit dem Thema.