Spiel gegen Düsseldorf: Keller muss Polter und Skrzybski zum Formanstieg verhelfen

Jens Keller hat sich für das Streicheln der Seelen entschieden. Seine Spieler sind gut, aber sie sind − jeder für sich betrachtet − sicherlich nicht die besten Fußballer der Zweiten Liga. Da tänzeln in Hannover, aber vor allem in Stuttgart andere Kaliber auf dem grünen Rasen herum. Was den 1. FC Union in dieser Saison, und vor allem seit der Winterpause ausgezeichnet hat, war, dass sie alle an einem Strang zogen.

Sie tauschten selbstständig die Positionen auf dem Platz und wussten stets, was an der jeweiligen Stelle zu tun war. Sie mussten nicht sehen, wo die Mitspieler liefen, sie wussten es. Weshalb Trainer wie Ewald Lienen oder André Breitenreiter Union als bestes Team der Liga lobten. Gegen Aue erkannte Keller dann seine eigene Mannschaft nicht wieder. Seine gar nicht so einfache Aufgabe vor der Partie in Düsseldorf (Sonntag, 13.30 Uhr) lautet nun, diese sportliche Harmonie wiederherzustellen − unter besonderer Berücksichtigung der beiden Führungskräfte Sebastian Polter und Steven Skrzybski.

Gut zureden

„Es ist nicht die Phase, in der man ein Gewitter loslassen muss“, sagt Seelenstreichler Keller also. „Hier geht nicht die Welt unter. Die Krise sieht so aus, dass wir zwei Punkte vom ersten Platz weg sind.“ Er kann das: Mannschaften verlorenen Mut zurückgeben. Schalke 04 führte er 2014 nach verkorkster Hinrunde auf Rang drei in der Bundesliga. Viele Gespräche mit den Führungsspielern waren dem vorangegangen. In Köpenick setzte er nun auf Kollektivkommunikation: „Die Mannschaft hat eine gewisse Verunsicherung, die bekommt man nicht mit Herumschreien raus.“

Nach eineinhalb nicht so gelungenen Spielen wäre es voreilig, von einer Formkrise zu sprechen. Eine kleiner Leistungsabfall ist aber durchaus zu erkennen. Und sie beginnt bei Union dort, wo bei anderen Mannschaften die Fußballmühen enden: vor des Gegners Tor. Denn die Eisernen bauen ihr Spiel nicht von hinten nach vorne auf, sondern von vorne nach hinten, getreu dem Motto: Der frühe Ballgewinn fängt die drei Punkte. Keller ist überzeugt, dass Tore nur selten nach langen Ballstafetten fallen; sein Team soll den Ball gar nicht so oft besitzen. Deshalb entstehen Union-Treffer oft blitzschnell aus dem Nichts. Das funktioniert aber nur, wenn die Anlaufwege perfekt harmonieren, wenn der Gegner an vorderster Front unter Druck gesetzt wird und der Ball spätestens von der zweiten Pressingreihe in der eigenen Hälfte erobert wird.

Polter und Skrzybski sind da von entscheidender Bedeutung. Sie sind die Strippenzieher, die die unsichtbaren Verbindungsfäden in den Händen halten. Natürlich ist jeder gefordert, damit das Pressingnetz nicht reißt, aber wenn sich der Ball darin verfangen hat, sind sie es, die den Gegner dank ihrer Übersicht, Schnelligkeit und Ballfertigkeit wie gelähmt erscheinen lassen. Im Idealfall verschafft Polter den Vorstürmenden als Ballbehaupter im Mittelkreis Raum und Zeit, Skrzybski sticht in die Tiefe, reißt mit, überrascht.

Nicht ins Gericht gehen

In Hannover waren die Unioner als Kollektiv zu wenig, gegen Aue als Reaktion darauf als Einzelkämpfer zu viel gelaufen. „Jeder wollte das Spiel auf seine Art entscheiden, jeder hat seine eigene Idee im Kopf gehabt“, sagt Keller. Aus dem Nichts drohte erstmals keine Gefahr. Beispiel Skrzybski: Der an der Außenlinie unbedrängte Angreifer passte in der 38. Minute ins Zentrum, wo in fünf Metern Umkreis niemand wartete – zumindest kein Mitspieler. Beispiel Polter: Simon Hedlund hatte den Ball in der 40. Minute fünf Meter vor dem Mittelkreis gewonnen und direkt zu Polter weitergeleitet, doch der machte aus der Zwei-gegen-zwei-Situation einen Nullsummenmoment, mit einem unsauberen Zuspiel in die Arme des Auer Torwarts Martin Männel. „Jeder wollte das Besondere machen, und das hat dazu geführt, dass die Mannschaft nicht als Kollektiv funktioniert hat“, so die Trainererkenntnis.

Keller mag Spieler, die mitdenken und die Initiative ergreifen. Wie bringt er sie nun wieder auf eine Wellenlänge? Der Umgang mit dem nach seiner Verletzungspause unsicheren Linksverteidiger Kristian Pedersen verrät es. „In der Phase ist es unheimlich wichtig, so einem Jungen Selbstvertrauen zu geben. Der größte Fehler wäre, mit ihm ins Gericht zu gehen. Er war über seine Leistung sehr enttäuscht.“ Da das auch für Polter und Skrzybski zutrifft, ist davon auszugehen, dass Keller auch ihnen gut zugeredet hat.