Spitzenpartie am Sonntag: Alba Berlin Spieler sehen sich dem FC Bayern gewachsen
So wirklich wusste Alejandro Garcia Reneses nicht, was ihn am Sonntag erwarten würde. Natürlich, dass er mit seiner Mannschaft da gegen die Basketballer des FC Bayern antreten würde (15 Uhr, Sport1), war ihm bewusst. Auch darüber, dass die Partie zwischen den beiden Rivalen, die derzeit Platz eins und zwei der Tabelle belegen, ein echtes Spitzenspiel werden dürfte, war sich Albas Trainer im Klaren. Und doch wusste er noch nicht, worauf er seine Schützlinge vorbereiten muss.
„Ich weiß bis jetzt sehr wenig über sie“, sagte Reneses über den kommenden Gegner. Ein Umstand, der zum einen mit dem noch nicht abgeschlossenen Scouting zusammengehangen haben dürfte. Zum anderen steht er jedoch auch symbolisch für einen wichtigen Aspekt in der Philosophie des 70-jährigen Spaniers: Statt auf den jeweiligen Gegner richtet man bei Alba den Blick auf sich selbst. Vor allem die eigenen Stärken werden dabei in den Vordergrund gestellt. Eine Maßnahme, welche Reneses’ Schützlinge zu beflügeln scheint.
Agieren statt reagieren
Wenn die Bayern in die Arena am Ostbahnhof kommen, tun sie das mit einer Mannschaft, die vor renommierten und klangvollen Namen nur so strotzt. Das Serben-Duo Stefan Jovic und Milan Macvan, der NBA-erfahrene Jared Cunningham oder der in Berlin bestens bekannte Reggie Redding sind nur einige davon.
„Da können wir gar nicht anfangen, jeden einzelnen von denen bis ins kleinste Detail zu scouten“, sagt Forward Luke Sikma. Also wolle man sich stattdessen auf das eigene Spiel konzentrieren. Die Bayern vor allem in der Verteidigung mit den eigenen Rotationen und Abläufen das Leben schwermachen, anstelle sich den Bewegungen und Vorlieben der Offensivspieler anzupassen. Agieren statt reagieren.
Ein funktionierendes Kind
Tatsächlich schaffen es Reneses und seine Akteure in dieser Spielzeit über weite Strecken, unabhängig von ihrem jeweiligen Gegner, den gleichen, weil eigenen Spielstil beizubehalten. „Wir verändern nicht in jedem Spiel unseren Gameplan, sondern wollen immer unser Spiel spielen“, sagt Sikma und bestätigt gleichzeitig, dass dies kein Zufall ist.
Dass die Berliner Art und Weise zu spielen dabei so erfolgreich ist, hängt vor allem damit zusammen, dass Trainer Reneses seinen Akteuren nicht einfach ein System aufgezwungen hat. Im Gegenteil: Er hat sich die Vorlieben, Stärken und Fähigkeiten seiner Schützlinge angeschaut und sie zu einem funktionierenden Paket zusammengefügt.
Außergewöhnliche Spielintelligenz
„In der Vorbereitung hat er uns einfach spielen lassen“, erinnert sich Aufbauspieler Peyton Siva. Erst kurz vor Saisonbeginn habe der Trainer dann einige Dinge geändert und seinen Spielern erklärt, was er gerne anders sehen würde. Das Ergebnis dieses Prozesses beeindruckt: Siva und Co. spielen zu Saisonbeginn einen ebenso ansehnlichen wie gut durchdachten Basketball. Durchdacht, weil jeder Berliner Akteur den Raum bekommt, seine Stärken bestmöglich zu nutzen.
Während Siva beispielsweise seine Schnelligkeit in den zahlreich gelaufenen Schnellangriffen perfekt ausspielt, glänzt Luke Sikma im Halbfeld mit seiner außergewöhnlichen Spielintelligenz. Dazu schafft man es, genauso immer wieder Spencer Butterfield freie Würfe zu verschaffen wie man Center Dennis Clifford unter dem Korb findet. „Unsere Stärke ist es, dass jeder von uns gefährlich ist und wir aneinander glauben“, sagt Sikma.
„Ein entspannter Trainer“
Für Reneses ist dieser Glaube an die eigenen Stärken ebenso wichtig, wie das vielzitierte Entwickeln junger Talente. Kaum einmal sieht man ihn dabei, wie er seine Akteure kritisiert, geschweige ihnen gegenüber laut wird. Stattdessen lobt er, muntert nach misslungenen Aktionen auf und motiviert.
„Er ist ein entspannter Trainer, der dich eher motiviert, als dass er dich runtermacht“, sagt auch Peyton Siva und gerät prompt ins Schwärmen: Reneses sei keiner, der einem dauerhaft über die Schulter schaue. Stattdessen gebe er seinen Spielern viele Freiheiten und ermutige sie, diese auch zu nutzen, so Siva.
Beste Defensive der Liga
Ob der Point Guard und seine Mitspieler am Sonntag von ihren bayerischen Gegenspielern ebenso große Freiheiten bekommen wie von ihrem Trainer, ist mehr als fraglich. Mit nur 68 kassierten Punkten pro Spiel stellt die Münchner Mannschaft von Trainer Aleksandar „Sasa“ Djordjevic immerhin die statistisch beste Defensive der Liga.
Eingeschüchtert ist man davon bei Alba in Berlin allerdings keinesfalls: Man begegne sich „auf Augenhöhe“, findet etwa Alba-Kapitän Niels Giffey. Ein letztes Beispiel dafür, dass der Glaube an die eigene Stärke endgültig Einzug bei Berlins Basketballern gefunden hat. Dank starker Auftritte in den vergangenen Wochen und dem „Maestro“, wie Peyton Siva seinen Trainer Reneses ehrfürchtig nennt.