Sportausschuss des Bundestages: Handgestoppte 17 Minuten Redezeit

Vielleicht geht es der Jahreszeit gemäß besinnlich zu am Mittwochnachmittag im Sitzungssaal 4.800 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin. Die Mitglieder des Sportausschusses des Deutschen Bundestages könnten in der letzten Sitzung des Jahres drei Kerzen am Adventskranz anstecken und gemeinsam Weihnachtslieder singen. Da Journalisten auf Geheiß der Vertreter der Regierungsparteien nicht mehr willkommen sind, nachdem sie berichtet hatten, wie einige Ausschussmitglieder die Sitzungszeit mit Computerspielen und Nickerchen rumbringen, würde das erst mal niemand mitkriegen.

Allerdings versprachen CDU-Obmann Klaus Riegert und Joachim Günther, sein Pendant von der FDP, die Öffentlichkeit angemessen über das zu unterrichten, was im Ausschuss erörtert wird. Riegert gab sich gar überzeugt, das Tagen ohne lästige Zuschauer und -hörer werde ein „effektives und fachpolitisches Arbeiten“ befördern. Die Kollegen der Linken, der Grünen und der SPD sind da nicht so optimistisch. Die Sozialdemokraten etwa baten, kaum hatte die Ausschussmehrheit Ende Oktober den Journalisten-Bann verhängt, zum vertraulichen Gespräch. Und erklärten bei der Gelegenheit, die Rückkehr zum Hinterzimmer-Parlamentarismus sei fatal, der Ausschuss werde in der Bedeutungslosigkeit versinken.

17 Minuten Redezeit

Richtig ist wohl, dass sich, seit die Vertreter der Regierungsfraktionen die Daddeln-und-dösen-Affäre eskalieren ließen, kaum noch ein Journalist die Mühe macht, die aktuelle sportpolitische Agenda in Berlin abzufragen. Gelegentliche Anrufe gebe es, korrigiert SPD-Ausschuss-Obmann Martin Gerster sanft. Gleichwohl sei eine Rückkehr zum sechs Jahre lang beherzigten Prinzip öffentlicher Ausschusssitzungen „im Sinne einer qualitätsvollen und authentischen Berichterstattung unerlässlich“. CDU-Mann Riegert hatte ja das glatte Gegenteil behauptet, als er sinngemäß feststellte, es werde der Ausschussarbeit guttun, dass dort mangels Außenwirkung keine Fensterreden mehr gehalten würden.

Kollege Stephan Mayer muss da etwas missverstanden haben. Der CSU-Mann aus Altötting sprach Anfang November bei der Erörterung der gescheiterten Münchner Olympiabewerbung mit DOSB-Präsident Thomas Bach handgestoppte 17 Minuten am Stück – jetzt, da im Sportausschuss endlich effektives Arbeiten angesagt ist. Die Ausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) musste die Glocke bedienen, um Mayer zu bremsen. Niemand kann sich erinnern, dass sie das jemals zuvor getan hatte. Der bayerische Bundestagsabgeordnete saß übrigens zufällig im Aufsichtsrat der Bewerbungsgesellschaft München 2018. In diversen Tageszeitungen fiel die versprochene angemessene Unterrichtung der Öffentlichkeit danach so tiefschürfend aus, wie zu erwarten war: „Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages hat parteiübergreifend viel Sympathie für eine neue deutsche Bewerbung um Olympische Spiele gezeigt.“

Wie man sich die neue Besinnlichkeit im Kreis der sportaffinen Volksvertreter noch vorzustellen hat, verrät das vertrauliche Protokoll der nichtöffentlichen Sportausschusssitzung vom 16. März dieses Jahres. Die Sportpolitiker erörterten damals Umstrukturierung und Neubesetzungen an der Spitze der Nationalen Antidopingagentur. Dem Protokoll zufolge sind die Ausschussmitglieder überzeugt, dass im vermurksten ersten Verfahren um die Neubesetzung der Nada-Geschäftsführung vor rund einem Jahr eine Bewerbung mutwillig unterschlagen wurde. Sie hielten es nicht für ihre Pflicht, den skandalösen Vorgang sofort bekanntzumachen und sich für die Abberufung des Verantwortlichen einzusetzen, der den Vorgang laut Protokoll auf Nachfrage geleugnet hatte, ohne dass ihm Glauben geschenkt wurde.

"Wahrhaftigere Diskussionen"

CDU-Obmann Riegert frohlockt der Mitschrift zufolge, man könne in nichtöffentlichen Sitzungen „einfach wahrhaftiger die Dinge diskutieren“ als wenn man „in irgendwelcher Weise dann – vielleicht sogar aus dem Zusammenhang herausgerissen – zitiert werde“. Klingt mehr nach Omertà als nach gelebter Demokratie.

Die SPD-Sportpolitiker nehmen in der Sitzung am Mittwochnachmittag einen neuen Anlauf, um ihre Vorstellungen von transparenter Ausschussarbeit durchzusetzen. Sie beantragen eine öffentliche Anhörung zum Thema Gewalt in und um Fußballstadien am 8. Februar. „Steter Tropfen höhlt vielleicht doch den Stein“, sagt Martin Gerster. Er muss damit rechnen, dass die Vertreter der Regierungsparteien den Vorstoß abschmettern. Union und FDP haben einen wortgleichen Antrag formuliert. Am 8. Februar soll öffentlich über Gewalt im Fußball gesprochen werden, aber gefälligst auf ihre Initiative hin. In Sachen rückhaltlose Offenheit lassen sie sich von niemandem übertreffen.