SV Babelsberg 03: Aktion „Nazis raus aus den Stadien“ erhält im Osten kaum Zuspruch
Vor dem leeren Block, in dem beim Brandenburg-Derby im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion eigentlich die Gästefans von Energie Cottbus hätten stehen sollen, hingen am Sonntagnachmittag nur fünf riesige Plakate an den Zäunen. In der Mitte ein überdimensionales T-Shirt mit der Aufschrift „Nazis raus aus den Stadien“; daneben je zwei großformatige Sponsorenbanner, auf denen alle 135 Unterstützer der Kampagne aufgedruckt waren: vom Friedrichstadt-Palast bis zum Kreuzberger Punk-Club SO36, von der Punkband Dritte Wahl bis zur Gewerkschaft Verdi. Keine gewöhnliche Unterstützer-Schar für einen Fußball-Regionalligisten.
Laut Verein gingen inzwischen etwa 8000 Euro an Spenden ein; zudem wurden bundesweit 6000 Kampagnen-T-Shirts verkauft. Klubs wie Borussia Dortmund bestellten gleich vierstellige Stückzahlen; der 1. FC Köln entwickelte mit dem Babelsberger Slogan einen Fanschal. Auch Werder Bremen, der VfB Stuttgart, Mainz 05, SC Freiburg oder FC St. Pauli unterstützen die Aktion gegen Neonazis und Rassismus im Fußball.
Selbst im Ausland solidarisierten sich Fans etwa von Celtic Glasgow, Betis Sevilla und Hapoel Tel Aviv mit dem Potsdamer Klub. Die New York Times, Washington Post und ESPN berichteten über die Initiative der Babelsberger. Thoralf Höntze, Marketingmann beim SV Babelsberg, erklärt: „Für viele Vereine, die entweder selbst Probleme mit Nazis in der eigenen Fanszene haben oder wie wir Probleme mit rechtsextremen Gästefans, bringt die Kampagne unsere entschiedene Haltung auf den Punkt. Das ist wie ein Ventil.“
Eintreten gegen Neonazis wird härter bestraft als Rechtsextremismus
Die Bekanntheit der Aktion hat mit einer Fehleinschätzung des Nordostdeutschen Fußball-Verbands (NOFV) zu tun. Beim Derby zwischen SVB und Energie Cottbus im April 2017 hatten bis zu 200 Neonazis im Cottbuser Block antisemitische und rechtsradikale Parolen gegrölt; einige zeigten den Hitlergruß und versuchten, den Platz zu stürmen. Die politisch mehrheitlich links orientierten Babelsberger Fans antworteten mit „Nazi-Schweine raus“. NOFV-Sportrichter Stephan Oberholz urteilte zunächst: 6000 Euro Strafe für Cottbus, 7000 für Babelsberg – wegen Pyrotechnik. Von den rechtsextremen Entgleisungen steht kein Wort im Urteil. Dass Babelsbergs Fans „Nazis raus“ riefen, dagegen schon.
Babelsberg weigerte sich, das Urteil anzuerkennen und die Strafe zu zahlen. Mittlerweile einigte sich der Klub unter Moderation von Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs mit dem NOFV darauf, 3500 Euro an den NOFV zu zahlen und die andere Hälfte in eigene Projekte für Gewaltprävention zu stecken. Cottbus wurde in einem zweiten Urteil zu weiteren 5000 Euro verurteilt und musste den Babelsbergern wegen der verhängten Sperre für Gästefans 7000 Euro an fehlenden Einnahmen überweisen.
Es passt in die Linie ostdeutscher Verbandsgerichte, dass nicht genau hingeschaut wird und dass auch mal provokantes Eintreten gegen Neonazis härter bestraft wird als Rechtsextremismus. Der linke Klub Roter Stern Leipzig etwa musste wegen des Protests gegen Rechtsradikale bei gegnerischen Vereinen mehrfach Geldstrafen zahlen. „Nazis-raus“-Shirts, die auch die Sterne aus Solidarität zu den Babelsbergern tragen, mussten sie schon mal bei einem Gastspiel in der Provinz ausziehen.
RB Leipzig sagt Benefizspiel ab
RB Leipzig, das sich bislang betont neutral gibt, sagte Mitte März ein Benefizspiel gegen Babelsberg zu und vier Tage später wieder ab. Offiziell aus „terminlichen und organisatorischen Gründen“. Laut Informationen dieser Zeitung sei der Test jedoch auch deswegen geplatzt, weil sich RB einer klaren Verlautbarung gegen Rechtsextremismus und Neonazis in den Stadien habe verweigern wollen. In einer Mail schreibt ein dem Babelsberger Vorstand nahestehender Absender: „Wie es aussieht, will die Klubführung von RB nur ein Benefizspiel, aber kein gesellschaftspolitisches Statement.“ Und: „Ohne Statement kein Spiel!“
Diese Darstellung weist ein RB-Sprecher als „komplett falsch“ zurück. „RB Leipzig tritt rassistischen und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen. Diese Haltung wird durch diverse Projekte und Engagements zum Ausdruck gebracht“, schreibt der Klub auf Anfrage. „Wir können an dieser Stelle nur noch einmal betonen, dass wir gerne gespielt und somit den SV Babelsberg auch entsprechend unterstützt hätten. Der Vorwurf ist demnach absurd und durch unser Handeln und die Spielzusage an sich schon obsolet.“
Doch die Frage, wie viel politisches Engagement sich RB Leipzig als ostdeutscher Bundesligist und andere leisten wollen, müssen sich die Klubs weiter stellen. In den kommenden Tagen werden die Fanclubs der Leipziger ein Schreiben des Vereins erhalten, in dem RB klarstellen will, wie sich der Verein politisch und gesellschaftlich verortet. Abzuwarten bleibt, ob er auch danach handelt.
Die Neuauflage zwischen Babelsberg und Cottbus (0:1) am Sonntag blieb übrigens friedlich.