Tabellenplatz sieben: Herthas letzte Chance auf einen Saisonfinalspurt
Irgendwas stimmte nicht. Es roch so anders, so muffig, und als Michael Preetz einmal tief durchgeatmet hatte, fragte er in den Presseraum: „Hat hier jemand gerade mit einem alten Lappen geputzt?“ Keine Antwort. Auch kein schuldbewusster Blick weit und breit. Nur eine zweite Theorie: Vielleicht hat da jemand einfach das Putzen eingestellt in der falschen Annahme, die Saison sei bereits beendet und alle Reporterfragen längst beantwortet. Denn so wie Hertha BSC in den vergangenen Wochen aufgetreten ist, konnte man das ja tatsächlich glauben.
Die Saison ist natürlich nicht zu Ende. Am Sonnabend um halb vier spielt die Mannschaft von Pal Dardai in Mönchengladbach, und im Falle eines Sieges glaubt Preetz, dass es sich schon noch einmal lohnen könnte, nach oben zu schauen in der Tabelle, so Richtung Platz sieben, der ja sehr wahrscheinlich einen Startplatz in der Europapokalqualifikation garantiert und nur sechs Punkte entfernt ist. „Das ist natürlich ein lohnendes Ziel“, sagte Herthas Manager. Im Fall keines Sieges allerdings: „Ein unrealistisches.“
Realität ist bekanntlich das Gegenteil von Fiktion und von Wünschen manchmal so weit entfernt wie eine hässliche Cousine vierten Grades. Und Realität ist auch, wenn Hertha mit der Absicht, endlich mal wieder ein Heimspiel zu gewinnen, auf Freiburg oder Mainz oder Wolfsburg trifft, und dann stehen da nach Abpfiff diese Ergebniszahlen auf der Anzeigetafel: 0:0, 0:2, 0:0. Das heißt in Managerworte übersetzt: „Wir haben die Chancen nicht genutzt, uns nach oben abzusetzen.“ Das kommende Spiel ist wohl die letzte Gelegenheit, eine bislang mittelmäßige Spielzeit um einen spitzenmäßigen Schlussspurt zu ergänzen.
Vereinswechsel für zwölf Millionen Euro
Dardai machte zuletzt hier und da den Eindruck, als sei er gedanklich schon weiter. Er hat nach dem 0:0 gegen Wolfsburg erstmals von Transfers gesprochen und angekündigt, im Saisonfinale verstärkt auf junge Spieler zu setzen, um dann zu sehen, ob und wie er sie in naher Zukunft gebrauchen kann. Der Trainer hält nun mal fest an seinem Plan, eine Mannschaft in kleinen Schritten zu formen. Schritte sind das, die Geduld erfordern.
Einer dieser jungen Spieler ist Sinan Kurt, 21, der im Winter vor zwei Jahren als großes, sich aber selbst verhinderndes Talent vom FC Bayern kam – und seitdem die Erfahrung von genau vier Bundesligaminuten sammeln durfte. Über Kurt hat Dardai selten ein gutes Wort verloren. Diesmal lobte er den Flügelspieler für seine „Mentalitätsänderung. „Es scheint ein wenig besser zu sein.“ Dass Kurt in dieser Trainingswoche sogar ein paar Mal („Gut, Sinan!“) das Tor getroffen hat, ändert aber wenig an seiner Perspektive. Dardai, der Jugendfreund, hat auch so seine Geduldsgrenzen.
Preetz, der Putzlappendetektiv, hat also viel Arbeit vor sich. Mitchell Weiser etwa soll eine Klausel besitzen, die ihm erlaubt, am Saisonende für zwölf Millionen Euro den Verein zu wechseln. Mit Leverkusen gab es bereits erste Gespräche. Einen Weiser in Bestform zu ersetzen, ist nahezu unmöglich. Auf einen Weiser wie zuletzt könnte Hertha dank Schmerzensgeld verzichten.
Was bleibt? „Ich würde mir für die letzten Spiele wünschen“, sagte Michael Preetz,“ dass wir etwas befreiter aufspielen können.“ Der Frühjahrskaderputz hat begonnen.