Tina Hermann schnappt der Teamkollegin im letzten Lauf die Goldmedaille weg

In Altenberg holt die Pilotin vom WSV Königssee ihren vierten Weltmeistertitel, der bestätigt, dass sich die Diskussionen der Vergangenheit gelohnt haben.

Tina Hermann zeigt die Faust. Sie ist wieder Weltmeisterin im Skeleton. 
Tina Hermann zeigt die Faust. Sie ist wieder Weltmeisterin im Skeleton. imago images/Arvid Müller

Altenberg-Dem Weltmeistertitel gingen vor einiger Zeit viele Diskussionen und Tränen voraus. Ob Tina Hermann aus Bischofswiesen daran gedacht hat, als sie dank eines herausragenden Finales zum dritten Mal in Serie Skeleton-Weltmeisterin wurde? Die 28-Jährige setzte sich am Freitag nach vier Läufen in Altenberg durch. Mit einem Urschrei quittierte sie ihren Titel-Hattrick, während Jacqueline Lölling aus Winterberg sekundenlang im Ziel mit dem Blick nach unten auf dem Schlitten verharrte.

Erst im letzten Durchgang war Lölling von ihrer Teamrivalin auf Rang zwei verdrängt worden. Elf Hundertstelsekunden trennten die beiden besten Pilotinnen der vergangenen Jahre. Dritte wurde die Russin Jelena Nikitina mit 1,6 Sekunden Rückstand.

„Es war sehr, sehr spannend, ich konnte heute noch mal zeigen, wo ich wirklich hingehöre“, sagte Hermann, „der erste Lauf gestern war ja eine Katastrophe.“ Denn Hermann hätte die Chance auf ihren vierten WM-Titel nach 2016, 2019 und 2020 beinahe mit einem schwachen Auftakt weggeschmissen: bei Temperaturen um minus neun Grad Celsius verlor sie mehr als eine halbe Sekunde auf die Spitze. In den Durchgängen zwei bis vier legte Hermann aber jeweils die Bestzeit hin und fing Lölling ab. „Wenn man auf dem Goldrang schläft, will das niemand mehr abgeben. Ich wusste im Ziel schon, dass es nicht reicht. Es waren einfach zu viele Fehler im letzten Lauf“, erläuterte Lölling. „Es ist schon bitter, auch wenn die Silbermedaille herausgesprungen ist.“

Die Brisanz dieses Duells lag auch darin, dass beide deutschen Pilotinnen von verschiedenen Trainern betreut werden: Lölling von Neu-Bundestrainer Christian Baude, Hermann von dessen Vorgänger Dirk Matschenz. Von dem hatte sich der Bob- und Schlittenverband (BSD) nach vielen Konflikten vor der Saison getrennt. Mittlerweile hat Matschenz bei den Russen angeheuert.

„Diese Entscheidung hat mir einfach die Füße unter dem Boden weggezogen“, sagte Hermann. Sie habe tagelang geweint. Immerhin arbeiteten Matschenz und sie seit mehr als zehn Jahren zusammen. Selbst ein Rücktritt vom Leistungssport stand für Hermann im Raum. „Nach vielen Gesprächen haben wir uns so verständigt, dass Dirk weiterhin Tina trainieren kann, wir jedoch beim Material und bei den Unterkünften eine Trennung vom deutschen Team vollziehen“, sagte Baude.

So wohnt die dreimalige Weltmeisterin vom WSV Königssee bei den Titelkämpfen in Altenberg nicht im deutschen Hotel. „Ich werde vor Ort von Dirk betreut, er kümmert sich auch weiter um meinen Schlitten“, betonte Hermann.

Der Ilmenauer Matschenz gilt als Materialspezialist, als knallharter Coach. Viele Athleten spürten eine Sonderbehandlung für Hermann und beklagten diese mit Konflikten behaftete Doppelrolle. „Wir mussten mit Blick auf Olympia 2020 in Peking die Reißleine ziehen“, sagte der BSD-Sportdirektor Thomas Schwab. Wie der Freitag gezeigt hat, ist die Kombination zwischen Hermann und Matschenz aber weiter erfolgreich.