Begeisterung „in jedem Dorf“: Frauen-Tour macht Lust auf mehr

Mit den Männern als Zugpferd wurde die Tour de France der Frauen zum Erfolg. Doch es gibt Verbesserungspotenzial.

Triumph für die Geschichtsbücher: Die niederländische Olympiasiegerin Annemiek van Vleuten hat die Premiere der Tour de France Femmes gewonnen.
Triumph für die Geschichtsbücher: Die niederländische Olympiasiegerin Annemiek van Vleuten hat die Premiere der Tour de France Femmes gewonnen.AFP

Liane Lippert war begeistert. Die johlenden Fans, der hochklassige Sport und der große Rummel bei der Premiere der Tour de France Femmes hatten bei der deutschen Meisterin einen tiefen Eindruck hinterlassen. „Wir genießen es, dass es so viel Aufmerksamkeit gibt“, schrieb die deutsche Meisterin während der Rundfahrt in ihr Tour-Tagebuch beim CyclingMagazine.

Acht Tage lang kämpften die Frauen unmittelbar nach den als Zugpferd genutzten Männern um das Gelbe Trikot und betraten dabei Neuland. Die Übertragungsrechte wurden in mehr als 190 Länder verkauft, die Infrastruktur wurde wie bei Jonas Vingegaard und Co. vom Ausrichter Aso gestellt. In Frankreich lag die Einschaltquote bei sieben der acht Etappen bei über zwei Millionen – ein voller Erfolg.

Auch für Lippert war die Tour-Begeisterung eine neue Erfahrung. „Man wird nach jedem Rennen interviewt, auch wenn man nur Helfer war. Man spürt richtig, dass die Aufmerksamkeit enorm ist und dass viele Menschen das Rennen verfolgen“, meinte die 24-Jährige. Die Atmosphäre sei „eine ganz besondere“ gewesen.

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Auch Tour-Chefin Marion Rousse war angesichts der vielen Fans am Straßenrand begeistert. Die niederländische Siegerin Annemiek van Vleuten, mit 39 Jahren mit reichlich Erfahrung ausgestattet, lobte: „Es sind so unfassbar viele Leute gekommen, um uns zu sehen. Wir haben in jedem Dorf gespürt, dass diese Tour lebt.“ Die niederländische Olympiasiegerin hat Radsport-Geschichte geschrieben und die Premiere der Tour de France Femmes gewonnen. Trotz drei Radwechseln siegte die 39-Jährige bei der spektakulären abschließenden Bergankunft auf der Planche des Belles Filles nach einer gewaltigen Energieleistung und behauptete das Gelbe Trikot. „Es ist ein Traum, der wahr wird. Heute war es alles andere als leicht“, sagte van Vleuten, die im Oktober 40 Jahre alt wird: „Jetzt kann ich mich endlich freuen. Und jetzt gibt es endlich Pizza und Eiscreme.“

Van Vleuten musste auf der letzten Etappe in der heiklen Rennphase wegen eines Defekts gleich mehrmals absteigen und lag auf der letzten Abfahrt vor dem Schlussanstieg knapp zwei Minuten hinter der Spitze. Dann aber flog die Zeitfahr-Siegerin der Sommerspiele von Tokio förmlich an allen Kontrahentinnen vorbei und sicherte sich noch den Tagessieg. In der Gesamtwertung hatte die Dominatorin nach 1033,6 Kilometern 3:48 Minuten Vorsprung auf Vollering. Dritte wurde die Polin Katarzyna Niewiadoma (+6:25).

Doch wie bei so vielen Premieren blieb auch noch Luft nach oben. Das gilt wenig überraschend vor allem für das Preisgeld: Der Däne Vingegaard bekam allein für seinen Gesamtsieg mehr als das Doppelte der Summe, die für das komplette Frauen-Feld ausgeschüttet wurde.

Auch die Streckenführung stieß nicht überall auf Begeisterung. Weder die Alpen noch die Pyrenäen standen auf dem Programm, hoch hinaus ging es bedingt durch die kurze Dauer der Tour nur in den Vogesen. Die Schweizerin Marlen Reusse „bedauerte“ zudem, dass es kein Zeitfahren gab. Tour-Chefin Rousse begründete dies mit den geringen Zuschauerzahlen im Kampf gegen die Uhr: „In diesem Jahr war es sehr wichtig, attraktiv zu sein.“

Für Diskussionen sorgte das unterschiedliche Niveau im Feld. Dieses habe „für viele Zwischenfälle“ gesorgt, sagte Stephen Delcourt und meinte die zahlreichen Massenstürze. Der Manager des Rennstalls FDJ-Suez hatte sich schon vor dem Start für weniger als 24 Teams eingesetzt.

Luft nach oben bleibt also, es überwog aber der positive Eindruck. „Es war das erste Jahr, daher wird es künftig natürlich ein paar kleine Änderungen geben“, sagte Rousse: „Aber die Grundlage ist gelegt.“