Trainerwechsel: Oliver Ruhnert wird der Geschäftsführer vom 1. FC Union Berlin
Oliver Ruhnert hat die neunmonatige Probezeit bestanden. „Wir haben feststellen können, dass es menschlich passt und er über ein hervorragendes Netzwerk verfügt“, sagt Dirk Zingler über den Mann, der den 1. FC Union erfolgreicher machen soll. Der Vereinsboss hat in den vergangenen Jahren eine gewisse Souveränität darin entwickelt, neue Führungskräfte mit lobenden Worten in die Familie einzugliedern. Trainer, Lizenzspielerabteilungsleiter, Geschäftsführer. Wobei Ruhnert eben gar nicht wirklich neu im Klub ist, und gerade deshalb umso zufriedener von Zingler der medialen Öffentlichkeit als Chef des Bereichs Profifußball vorgestellt wird. Der 46-Jährige ist die interne Lösung mit externer Kompetenz für den sportlich wichtigsten Posten im Verein.
Neun Jahre lang war Ruhnert für Schalke 04 tätig, als Chefscout der Profis, zwischendurch als Trainer der U23 und zuletzt fünf Jahre als Nachwuchs-Direktor. „In der Knappenschmiede hat er 200 Menschen geführt und bewiesen, dass er Kader zusammenstellen kann“, führt Zingler sein Lob weiter aus. Und irgendwie müssen diese Fähigkeiten ja dazu beigetragen haben, dass Ruhnert ab sofort für zunächst einmal die nächsten zwei Jahre für die Belange der Lizenzspielerabteilung verantwortlich ist und nicht etwa der bisherige Kaderplaner Helmut Schulte befördert wurde.
„Offensiv spielen, die Leute mitnehmen“
Dank seiner Kontakte und Reisen hat Ruhnert für Schalke Spieler wie Thilo Kehrer, Sead Kolasinac und Leon Goretzka entdeckt. Letztlich verbrachte er als Direktor der Knappenschmiede für seinen Geschmack zu viel Zeit hinter dem Schreibtisch und zu wenig auf Fußballplätzen. Zu Union brachte ihn dann ein Erlebnis im März 2017, als er erstmals an der Alten Försterei war. „Beim Heimspiel gegen den Karlsruher SC war ich von der Stimmung hier und den Leuten angefixt. Ich mag Traditionsvereine und Menschen, die mit ihren Vereinen leiden“, sagt Ruhnert.
Unter seiner Führung soll die Abteilung Leistungssport jedoch mehr Freude als Leid produzieren. „Offensiv spielen, die Leute mitnehmen“, das ist Ruhnerts Philosophie: „Wir haben an der Alten Försterei so viel Input von den Leuten, dass es eine riesen Freude für sie sein muss.“
Seine erste Aufgabe ist nun die Suche nach einem neuen Cheftrainer. Der zweimalige Nationalspieler Frank Fahrenhorst, 40, derzeit U17-Coach von Schalke 04, wäre eine Möglichkeit. Es wäre ein Experiment mit einem Profitrainer-Neuling, aber dank der Expertise von Ruhnert nicht mit einem gänzlich Unbekannten, wie es vor vier Jahren Norbert Düwel war. Torsten Lieberknecht kommt nach zehn aufreibenden Jahren bei Eintracht Braunschweig hingegen eher nicht in Frage. Zu Namen äußert sich Ruhnert bei seiner Vorstellung nicht. „Es geht darum, möglichst bald eine Entscheidung zu treffen“, sagt er nur. „Aber es ist eine entscheidende Person. Deswegen muss das gut überlegt sein.“
Soziales Engagement ist Ruhnert wichtig
Als er im August 2017 als Chefscout für Union anfing, richtete er seinen Blick sofort auf die Saison 2018/19. Einfluss auf den Kader, der in der abgelaufenen Spielzeit hinter den Erwartungen blieb, hatte er daher nicht. „Für mich war der Hauptgrund, dass ich als Chefscout in dem Bereich arbeiten kann, den ich mag. Ich konnte wieder Spiele gucken, Spieler bewerten und einen Kader planen“, sagt Ruhnert.
Künftig wird jedoch wieder mehr Schreibtischarbeit auf ihn zukommen und die zweiwöchigen Reiseberichtstreffen werden nicht mehr ausreichen, weshalb Ruhnert einen Umzug nach Berlin plant. Seine Lebenspartnerin und ihre schulpflichtigen Kinder hingegen bleiben in Iserlohn, auch seinen ehrenamtlichen Posten als Stadtrat wird er nicht abtreten. Ruhnert sitzt in seiner Heimat der Fraktion der Linken vor. „Soziales Engagement war mir immer sehr wichtig und ich sehe es als Ehre an, dort gewählt zu sein“, sagt er. Politik ist sein Hobby, der Fußball sein Beruf.
Das Gehirn des Klubs
Die Art, wie er im Profifußball vernetzt ist, hebt ihn vom bisherigen Geschäftsführer Sport, Lutz Munack, ab, der zukünftig die Bereiche Nachwuchs und Amateursport verantwortet. Die Trennung der Aufgabengebiete scheint nicht nur wegen des zeitlichen Aufwands, sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen sinnvoll. Die Entscheidung, die Aufgaben aufzuteilen, wurde von Munack mitgetragen.
Anders als sein Geschäftsführerkollege Munack wird Ruhnert allerdings nicht Teil des Vereinspräsidiums sein. „Für mich ist es das Herz des Vereins, weil das Präsidium Entscheidungen treffen muss, die zum Wohl des Vereins sind. Das sind nicht die Aufgaben eines Angestellten“, sagt Ruhnert. Er sieht sich mehr als das Gehirn des Klubs. „Das ist die Aufgabe, die das Präsidium mit dem Posten Geschäftsführer Profifußball anstrebt. Diesen Anspruch muss ich an mich haben“, sagt er. Schon die nächste Saison wird zeigen, ob Herz und Hirn so gut zusammenpassen, wie sich Zingler das denkt.