Ungewissheit, Sorgen, Ängste: Olympia-Qualifikationen werden zum Problem

Bei deutschen Athleten wächst die Sorge, dass ihre Chance auf Tokio verstreichen könnte.

Die olympischen Ringe vor dem Nationalstadion in Tokio. Rund um die Olympischen Spiele herrscht noch immer viel Unklarheit.
Die olympischen Ringe vor dem Nationalstadion in Tokio. Rund um die Olympischen Spiele herrscht noch immer viel Unklarheit.Imago/Kyodo News

Frankfurt/Main-Die Zeit rennt, die Lage wird immer heikler – doch Olympia soll um jeden Preis stattfinden. Und während noch heiß über Impfungen, Zuschauer oder andere Probleme rund um das Mega-Event diskutiert wird, wirbelt die Pandemie bereits mit voller Wucht die noch ausstehenden Qualifikationen durcheinander. Im Lager der Athleten wachsen die Ungewissheit, die gesundheitlichen Ängste und die Sorge, dass die Chance auf Tokio verstreichen könnte.

Max Hartung ist bereits qualifiziert, doch aufgrund seiner Position im Verein Athleten Deutschland beschäftigen auch ihn die Sorgen. „Ich kenne kaum jemanden, der genau weiß, wie das läuft“, sagt er. Der Säbelfechter ist bestens vernetzt, in Gesprächen sei die Qualifikation „die ganze Zeit Thema. Es wird viel spekuliert.“ Denn Klarheit gibt es in kaum einer Sportart.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bleibt dennoch optimistisch. Er gehe davon aus, „dass die Qualifikationen in vielen Sportarten bei diesen Spielen sehr spät erfolgen werden“, sagt DOSB-Sportchef Dirk Schimmelpfennig im SID-Gespräch. Die Hoffnungen ruhen darauf, dass sich die Krise bis zum Frühsommer entspannt. Bei rund 400 Plätzen in der deutschen Olympia-Mannschaft haben laut DOSB bislang erst 223 Athleten das Ticket für Tokio gelöst.

Eine Sportlerin, die dringend Punkte benötigt, ist Alexandra Ndolo. Es sei eine „extreme Situation, die ein bisschen an den Kräften zehrt“, sagt die Degenfechterin, die von ihrer ersten Olympia-Teilnahme träumt. Ob sie ihre Chance bekommt, ist fraglich. Stickige Hallen, etliche Teilnehmer und Sportler aus aller Welt erschweren dem Weltverband die Planung der ausstehenden Wettkämpfe.

Für Karate-Weltmeister Jonathan Horne ist es ohnehin „harter Tobak“, dass Athleten kurz vor den Spielen inmitten einer Pandemie um den Globus gehetzt werden sollen. Eine Impfung für Sportler schon vor den Qualifikations-Wettkämpfen scheint kaum möglich. Es gebe „auf jeden Fall gesundheitliche Risiken. Man muss sich klar sein, was da passieren kann“, sagt der 32-Jährige, der sich nach einer Kehrtwende seines Weltverbandes noch einmal beweisen muss – sofern die Wettkämpfe überhaupt stattfinden.

25 Prozent der Olympia-Plätze müssen noch vergeben werden

Max Planer sieht das gelassener. Die Unsicherheit werde komplett ausgeblendet, versichert der Ruderer aus dem Vierer ohne Steuermann: „Sonst macht es wenig Sinn, das anzugehen.“ Dass Ruder-Wettkämpfe auch während einer Pandemie unter freiem Himmel eher möglich sind, stärkt seinen Optimismus. Planer geht jedenfalls davon aus, dass die Nach-Qualifikation im Mai in Luzern stattfinden wird.

Laut dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) müssen noch 25 Prozent der Olympia-Plätze vergeben werden. 61 Prozent seien bereits verteilt, die restlichen 14 Prozent werden über Ranglisten zugeteilt. Was passiert allerdings, wenn fest eingeplante Termine platzen?

Zuletzt wurde der in Tokio geplante Testwettkampf im Synchronschwimmen, der auch zur Quali dienen sollte, wegen der Reisebeschränkungen abgesagt. Die Europa-Qualifikation der Boxer (22. bis 26. April) findet zudem nicht im Corona-Hotspot London statt. Ein neuer Ausrichter wird derzeit gesucht.

Die Problematik sei klar, die Unsicherheit auch verständlich, sagt Schimmelpfennig. Es müsse nach „alternativen Qualifikations-Szenarien“ gesucht werden. „Weltranglisten zum Beispiel oder auch nach älteren Ergebnissen, wobei das auch schwierig ist, weil wir 2020 kaum Wettkämpfe hatten“, erklärt er. In diesen Zeiten ist Flexibilität gefragt.

Hartung warnt jedoch auch vor rechtlichen Problemen. Schließlich drohen juristische Schritte von Athleten oder Verbänden, die unter kurzfristig geänderten Qualifikationskriterien leiden. Vor allem große Nationen „würden das nicht so auf sich sitzen lassen, wenn einfach in die eine oder andere Richtung entschieden wird“, sagt auch Ndolo mit Blick auf ihre Sportart.

Für den DOSB ist das wohl keine Option. „Wir beteiligen uns gerne an konstruktiven Lösungen in einer schwierigen Gesamtlage“, sagt Schimmelpfennig. „Ich bin da optimistisch, dass es sich so entwickeln kann, dass alles durchführbar ist.“