Union-Kolumne: Ein Elfmeter muss sein oder - wenn ein Schiedsrichter überzeugt

Ein klein wenig hält mich noch immer das Derby gefangen. Nicht die Chaoten, die haben es nicht verdient. Eher der erste rot-weiße Sieg im dritten Heim-Punktspiel gegen die blau-weiße Hertha, dazu Sebastian Polter mit seinem Elfmeter zum 1:0. Der Stürmer, der keine so einfache Saison hat, dem aber schon zwei Joker-Tore hintereinander gelungen sind, ist einer der am meisten gefeierten Derby-Helden. Beide seine Tore hat er vom Punkt erzielt, das ist eine absolute Rarität. Erst acht Spieler vor ihm haben das in der Bundesliga als Joker in einer Saison geschafft und nur einer wie jetzt er in zwei aufeinanderfolgenden Spielen. Frank Pagelsdorf nämlich, und der hat, wenn auch als Trainer, immerhin eine Union-Vergangenheit.

Bewunderung für Aytekin

Mir geht es um Schiedsrichter Deniz Aytekin. Lange schon hat mich ein Unparteiischer nicht so überzeugt wie der in Nürnberg geborene Betriebswirt. Ich bewundere seine Ruhe und Besonnenheit, das Derby trotz aller miesen Randerscheinungen souverän zu Ende zu bringen. Aber auch das ist es nicht, wofür ich ihm Hochachtung zolle. Mir geht es um den Elfmeter.

Was schon habe ich von Experten gehört, warum manches und jenes kein Elfmeter sein könne, weil dies und das nicht zuträfe. Dass es zum Beispiel einen Kontakt gegeben habe, der aber für einen Elfmeter nicht ausreiche. Oder dass es ein Foul war, der gefoulte Spieler sich aber zu schnell habe fallenlassen. Am schlimmsten ist es, wenn ein Verteidiger grätscht, der Angreifer über die Grätsche springen will und stürzt. Schnell ist das vermeintliche Totschlag-Argument zur Hand, der Stürmer sei ja gar nicht berührt worden. Himmelherrgott, soll er denn sehenden Auges in die Grätsche taumeln, sich womöglich das Bein brechen, nur um einen Elfmeter zu bekommen? Schon der Versuch ist strafbar, nur wird dies zu oft nicht berücksichtigt.

Wer selbst Fußball gespielt hat, weiß, dass in schneller Bewegung ein Hauch von einem Schubser genügt, um aus dem Tritt zu kommen und sich im schlimmsten Fall langzulegen. Dazu braucht es tatsächlich nicht viel und sieht manchmal aus, als sei der Sich-Flachleger ein regelrechtes Weichei. Auch das kommt vor, ja, aber das erkennt man schnell.

Im Fall von Christian Gentner und Dedryck Boyata ist für mich die Sache klar, auch wenn manche meinen, es wäre ein Abschluss erfolgt und damit basta. Gentner hatte schon geschossen und der Ball flog über das Tor, richtig, trotzdem ist Boyata dem Mittelfeldmann der Eisernen regelwidrig in die Parade gefahren und hat ihn getroffen. So ist die Regel. Deshalb: Elfmeter!

Ältere Zeitgenossen werden sich an eine Szene aus dem WM-Spiel von 1974 zwischen Polen und Jugoslawien erinnern. Als ein Angriff der Polen abgewehrt und der Ball längst im Mittelfeld ist, pfeift der Schiedsrichter, zufällig Rudi Glöckner aus Markranstädt bei Leipzig, und zeigt auf den Punkt. Zurecht, selbst wenn der Ball 50 Meter entfernt ist, denn im Strafraum der Jugoslawen tritt ein Verteidiger einem polnischen Angreifer in die Beine. Es ist ein Lehrbeispiel dafür, dass nicht zählt, wo der Ball ist oder ob eine Aktion abgeschlossen ist, sondern wo das Vergehen (auch ohne Ball!) passiert. Mag sich darüber aufregen, wer will, Aytekin liegt richtig.

Deshalb, aber nicht nur, haben die Eisernen das Derby verdient gewonnen. Richtig gut wird es aber erst, wenn sie in Mainz nachlegen. Meinetwegen mit einem Polter-Tor vom Punkt.