Volleyball-Finale: Wo sind die neuen Namen? Stelian Moculescu wartet
Der frühere Bundestrainer hat Deutschlands Volleyball geprägt – in langer Gegnerschaft zu BR Volleys-Manager Kaweh Niroomand. Der hofft auf ein Zukunftskonzept.

Berlin - Stelian Moculescu hat seine Golfpartie beendet und daher jetzt Zeit, über den Sport zu reden, den er in Deutschland jahrelang geprägt hat: Volleyball. Die Finals um die deutsche Meisterschaft zwischen Berlin und Friedrichshafen beginnen an diesem Sonnabend in der Max-Schmeling-Halle (18.30 Uhr). Deshalb schaut Kaweh Niroomand beim Training seiner Mannschaft zu. Das Quietschen von Turnschuhen auf dem Hallenboden ist zu hören. Der Manager der BR Volleys hat sein halbes Leben damit verbracht, Volleyball in Deutschland voranzubringen. Was denkt Niroomand, 69, der die Volleys mit dem Umzug in die Schmelinghalle und einer Professionalisierung zur Lokomotive der Liga gemacht hat? Was der frühere Bundestrainer Moculescu, 71, der als Coach mit dem VfB Friedrichshafen 13-mal Meister wurde, ehe er 2018 mit den BR Volleys den Titel gewann? Was halten sie davon, dass sich beide Teams zum neunten Mal hintereinander im Finale treffen, der Sieger zum 24. Mal in Serie Berlin oder Friedrichshafen heißen wird?
Das Duell Berlin-Friedrichshafen ist zu einer Marke geworden
„Es sind nach wie vor zwei Mannschaften, die einigermaßen performen: die Berliner, die das gut machen, und der VfB Friedrichshafen, der es mit Schwierigkeiten geschafft hat, in die Finalrunde zu kommen. Es wird so viel geredet, wie toll die Liga ist. Ich kann es nicht erkennen. Weder an den neuen Spielern bei der Nationalmannschaft noch an den Vereinen. Also, wenn die anderen viel besser geworden sind, müsste sich das ja mal irgendwann in der Platzierung bemerkbar machen“, meint Moculescu.
Niroomand sagt: „Das Duell Berlin–Friedrichshafen ist zu einer Marke geworden. Zu einem Clásico. Das hat auch gute Seiten, einen Widerhall. Es ist ja sportartenübergreifend, länderübergreifend so, dass erfolgreiche Mannschaften in der Gunst von Sponsoren und Zuschauern steigen und sich dadurch für die nächste Saison wieder besser aufstellen können. Da kommt höchstens mal Villarreal dazwischen. Erfolg schafft die materielle Grundlage, um die nächste Erfolgsstufe zu erreichen.“
Die Zweitligisten scheuen den Aufstieg in die erste Bundesliga
In dieser Saison bestand die Liga nur aus neun Teams. 2020 stieg Rottenburg wegen Finanznöten in der Pandemie aus, 2021 Bühl. Aktuell meldet der Moerser SC lieber sein Team aus der Zweiten Liga Nord ab, als aufzusteigen. Die Volleyball Bundesliga (VBL) hat auf dem Weg zur Professionalisierung und kameratauglichen Vermarktung ein paar Eckpfeiler gesetzt: Hallenkapazität, Bodenbelag, LED-Banden, hauptamtliches Management, Lizenzgebühren. „Es ist jammerschade, dass viele diesen Ehrgeiz nicht haben, in der ersten Liga zu spielen, trotzdem die VBL Zugeständnisse bei der Lizenzierung gemacht hätte, trotz des ausgestreckten Arms der Erstligisten“, bedauert Niroomand.
Wie kann sich das ändern? Für Moculescu ist die Antwort einfach: „Besser arbeiten.“ Er meint den Managementbereich, die Führung der Vereine. Und die Trainer. „Die müssen mal Spieler hervorbringen, bei denen man sagen kann: Okay, das sind welche von internationalem Format. Da kommt ja schon ewig nichts mehr nach. Zumindest ist mir nichts bewusst. Vielleicht habe ich was verpasst?“ Moculescu kokettiert. Im Volleyball hat er noch selten was verpasst. Es scheint eher etwas Grundlegendes nicht zu stimmen, etwas Strukturelles.
Fast alle Ballsportarten beziehen Strahlkraft aus der Nationalmannschaft. Deutschlands Volleyballer haben sich 2012 zuletzt für Olympia qualifiziert. 2014 wurden sie WM-Dritter, 2017 EM-Zweiter. Und jetzt? Jetzt teilte Bundestrainer Andrea Giani mit, er übernehme ab sofort Frankreich, den Olympiasieger. Moculescu sagt, ihm sei klar gewesen: „Wenn es ein besseres Angebot gibt, ist Giani weg. Aus wem besteht denn die deutsche Nationalmannschaft? Aus Zuspieler Kampa und Diagonalangreifer Grozer. Wenn beide ausfallen, wer soll da spielen? Kampa ist 35 Jahre alt, Grozer 37. Die sind ja schon ewig da. Wieso findet man da keine Neuen? Wo ist der Nachwuchs? Ich sehe keinen. Ich warte immer. Ich warte noch.“
Die Zukunft braucht Talente. Und weil Niroomand glaubt, dass im Deutschen Volleyball-Verband kein Nachwuchskonzept existiert, „das gezielt gesteuert und gemanagt wird“, entwickelte er 2016 mit den BR Volleys und SCC Juniors ein Gesamtnachwuchskonzept für Berlin. Volleyballtalente werden hier seither über Vereinsgrenzen hinaus gewonnen, gesichtet, gefördert. 15 Berliner Volleyballvereine und 100 Schulen sind Teil des Talente-Nest-Netzwerks, mehr als 500 Kinder bewegen sich im System, der VC Olympia und die Sportschule in Hohenschönhausen sind eingebunden. Ein Cheftrainer, drei hauptamtliche und 15 Honorartrainer wurden angestellt. „Das Projekt ist ein voller Erfolg. Es wird von den Vereinen getragen, unser Hauptsponsor ist beteiligt, der Landesverband bringt sich ein – die BR Volleys fungieren als Leuchtturm��, sagt Niroomand. „Wir können Volleyball nur voranbringen, wenn wir ein Gesamtgebilde schaffen aus Nachwuchs, Vereinen und Nationalteam.“
Niroomand will die Nationalmannschaft in die Vereine bringen
Bundestrainer Giani war in seiner vierjährigen Amtszeit bei Bundesligaspielen fast nie zu sehen. Moculescu vergleicht die heutige Situation mit der um die Jahrtausendwende. „Ich war zehn Jahre Bundestrainer und Trainer des VfB Friedrichshafen. Die Spieler, die in der Nationalmannschaft waren, die habe ich gemacht. Giani war nicht Trainer in der Liga. Er hatte die Mannschaft drei Monate im Jahr. Was soll er da machen? Um einen Spieler aufzubauen, musst du drei, vier Jahre arbeiten. Das war ja der Grund, warum ich damals diese ganzen jungen Spieler nach Friedrichshafen geholt habe.“
Verband und Liga hatten sich irgendwann gegen die Doppelfunktion aus Vereins- und Bundestrainer entschieden. Auch Niroomand ist grundsätzlich dagegen, würde es aktuell aber befürworten: „Wir müssen die Nationalmannschaft in die Vereine bringen“, sagt er, „und nicht als einzigen Entwicklungsweg den Wechsel zu ausländischen Topvereinen propagieren. Die Konstellation bisher ist ja, dass die Nationalmannschaft eine Zusammenkunft von im Ausland stationierten Spielern ist.“
Moculescu wünscht dem deutschen Volleyball einen Zauberer
Als neuen Bundestrainer stellte der DVV gerade den Polen Michal Winiarski, 38, vor. Moculescu und Niroomand kennen ihn als sehr guten, erfolgreichen Spieler. Seine Trainerlaufbahn ist kurz: 2019 wurde er Cheftrainer bei Trefl Gdansk. Niroomand hofft, dass mit ihm mehr Austausch stattfinden wird. „Wir brauchen keine Entfremdung zwischen Nationalmannschaft, Bundestrainer und Vereinen. Die Nationalmannschaft muss aus der Mitte der Vereine kommen. Wenn die Spieler gesagt bekommen, dass sie sich nur im Ausland entwickeln können, gehen sie. Aber sie fehlen in der Liga als Identifikationsfiguren.“
Zum Bundesliga-Finale stehen im Kader der BR Volleys drei deutsche Spieler, beim VfB fünf. Für die Best-of-five-Serie wird Spannung erwartet, Feuer. Und dann? Sieht Moculcescu schwarz? „Ich sehe gar nichts. Ich schaue mir das nur ganz entspannt an und kann nicht erkennen, woher Leute einiger Vereine, aus der VBL und dem DVV ihren Optimismus nehmen. Ich wünsche ihnen das beste dieser Welt. Aber die Wünsche sind sehr groß. Da muss schon ein Zauberer her.“ Oder ein Unermüdlicher wie Kaweh Niroomand? Moculescu antwortet: „Der Kaweh macht, tut, treibt an. Er ist ja allein auf weiter Flur. Früher haben er und ich uns noch bekriegt und hochgetrieben. An die Zeiten wird er sich gern erinnern. Was ist heute? Es ist ja alles wunderbar glatt, alle sind Freunde. Ich komme mir vor wie in der großen Koalition. Und die funktionierte ja auch nicht. Wir sind alle nett. Aber wie sagt mein guter Freund? Nett sind auch kleine Schweinderl.“