Volleys-Angreifer Patch: „Wir müssen unsere privilegierte Stellung nutzen“

Der Berliner Volleyballprofi hat am Brandenburger Tor für Frieden demonstriert. Und gegen Putin. Mit anderen Sportlern kritisiert er den Weltverband FIVB.

Der Berliner Volleyballer Benjamin Patch
Der Berliner Volleyballer Benjamin PatchImago/Reuhl

Berlin - Benjamin Patch sagt, er habe Gänsehaut bekommen, als er am Sonntag inmitten der großen Demonstration auf der Straße des 17. Juni den ukrainischen Chor gehört habe. Diesen wirklich lauten Gesang, der in dem Wort „Ukraine“ endete. „Menschen haben verzweifelt dieses Wort gerufen: Ukraine“. Er habe so viele Gefühle gespürt inmitten all dieser 500.000 Menschen, die für Frieden, für Unabhängigkeit, für Europa auf die Straße gegangen waren. „Jeder fühlt sich gerade sehr nah“, sagt Patch.

Der amerikanische Diagonalangreifer der BR Volleys hatte am Rande des Auswärtssieges gegen Friedrichshafen von der Friedensdemonstration in Berlin erfahren. Er hatte die Bilder von den Angriffen, Zerstörungen und Flüchtenden aus der Ukraine gesehen. Er dachte an den vergangenen Sommer, als er ein paar Tage lang Kiew besucht hatte. Er dachte an die „spezielle Energie, dieser Menschen, die stark aussehen. Stark, und bescheiden gleichzeitig. Man spürte, dass viele von ihnen schwierige Zeiten hinter sich haben“, sagt Patch. Und er dachte an den kleinen, elternlosen Jungen, der vor einem Restaurant auf der Straße Blumen verkauft hatte. Der Volleyballprofi saß in Friedrichshafen auf seinem Hotelbett und fragte sich: „Ist dieser Junge in Sicherheit?“

Für die Gegenwart und für die Zukunft

Zurück in Berlin schloss er sich am Sonntag mit Freunden der Demonstration in Berlin an. Sie liefen von der Friedrichstraße durch das Brandenburger Tor bis zur Siegessäule und zurück. Auch andere Teamkameraden der BR Volleys wie Ruben Schott seien unterwegs gewesen, sagt Patch, 27. Er findet, Profisportler müssen ihre privilegierte Stellung nutzen, um ihre Stimme zu erheben. Um für Werte einzustehen, für Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit. „Wir müssen als Zivilbevölkerung die Macht nutzen, die wir haben, wenn wir nicht damit einverstanden sind, von schlechten Menschen und bösen Führern regiert zu werden.“

Patch sagt, er habe Hoffnung gespürt bei der Demonstration, eine Menge Zusammenhalt, auch über Berlin hinweg, denn es gab ja auch riesige Friedensdemonstrationen in anderen Städten.  Er schaute der ukrainische Tanzgruppe in traditioneller Kleidung zu. Bändchen flatterten in ihren Fingern. Kinder tanzten mit Erwachsenen. „Ich bin stolz, dass die Eltern ihre Kinder mitgebracht haben, denn wir kämpfen ja nicht nur für die Gegenwart, sondern für die Zukunft“, sagt Patch. „Es war wirklich ein großer Moment.“

Demonstration gegen Putin, nicht gegen Russland

Er war froh, diesen Moment nicht im Mannschaftsbus, im Hotel oder auf dem Volleyballfeld zu erleben. Beim 3:1-Sieg gegen Friedrichshafen hatte er pausiert wie auch Zuspieler Sergej Grankin. Wie geht es dem russischen Olympiasieger, mit dem Patch so viel Spielspaß, so viel Nähe, so viel Herzlichkeit verbindet, dass sie sich nach Siegen oft Bussis auf die Wangen drücken? Was sagt er über Putins Einmarsch in die Ukraine? Reden die beiden darüber?

Patch überlegt. Es ist eine schwierige Frage. Dann sagt der Amerikaner, der in Utah aufwuchs, dass er in den vergangenen Jahren von Grankin viel über die russische Kultur gelernt habe. Darüber, woher der Volleyballer kommt, der 13 Jahre für Dynamo Moskau spielte, wie er gelebt hat. „Sergej hat so ein gutes Herz“, sagt Patch. „Es ist gerade nicht einfach für ihn. Es nimmt einen ja mit, von negativer Aufmerksamkeit umgeben zu sein.“ Er wisse nicht, wie Grankin politisch denke, sagt Patch. „Ich merke nur, dass mit ihm gerade einiges passiert.“

Wie in den USA auch, gebe es in Russland Polarisierung, Reichtum, Erwartungen der privilegierten Klasse. In den USA glaubten viele an die Worte von Donald Trump. „Aber die Menschen müssen wissen, dass Männer wie Trump oder Putin Lügner sind, dass sie das Narrativ kontrollieren“, sagt Patch. „Wir haben am Sonntag gegen Putin demonstriert. Nicht gegen Russland. Ich fühle mit Sergej und vielen russischen Bürgern.“

Patch gehört zu den Profis, die sich gegenüber dem Volleyball-Weltverband (FIVB) klar positionieren. Die FIVB hatte zunächst nicht auf die politischen Ereignisse nicht mit Russlands WM-Entzug reagiert. Auf der FIVB-Homepage wurden am Montag noch russische WM-Volunteers vom 26. August bis 11. September gesucht. Zuletzt teilte Patch in den Sozialen Medien Ruben Schotts Post, der mit den Worten: „Wach auf FIVB!“ beginnt. Auch Volleyballgrößen wie Georg Grozer, der Brasilianer Bruno, der Italiener Ivan Zaytsev oder Earvin N´Gapeth, dessen französisches Team seinen Boykott bekanntgab, sollte die WM in Russland stattfinden, übten Kritik - bevor die FIVB schließlich am Dienstag reagierte und dem Land des Kriegs-Aggressors die Weltmeisterschaft entzog.

Patch sagt, er spüre, wie Europa zusammenhalte. Aber es ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur in der Ukraine großes Leid gebe. „Wir haben Kämpfe in Syrien, in Afghanistan, im Irak, aber historisch und wirtschaftlich sind Europa und die Ukraine eben mehr verwoben als mit dem mittleren Osten“, meint der Volleyballer. Er sagt, er treffe sich gleich mit ein paar Berliner Freunden, die sich auf den Weg an die polnische Grenze machen wollten: Um Menschen, die 85 Kilometer Richtung Freiheit gelaufen seien, eine Mitfahrgelegenheit zu bieten.