Vorsicht auf der Strecke und daneben. Geht das in Kitzbühel überhaupt?
Für die Skirennfahrer stehen in Tirol die prestigeträchtigsten Abfahrten der Saison an. Kurz vor Olympia wächst aber die Sorge vor positiven Corona-Tests.

Berlin - Die Nase blutig, der Rücken „ziemlich mitgenommen“ – doch Josef Ferstl kämpft sich durch. Der Kitzbühel-Sieger von 2019 wird nach seinem schweren Trainingssturz auf der Streif bei den Abfahrten am Freitag und Sonntag in Österreichs Ski-Mekka an den Start gehen. „Gut aufwärmen, Zähne zusammenbeißen, Schmerztabletten brauche ich natürlich auch“, sagte Ferstl nach dem zweiten Training auf verkürzter Strecke am Donnerstag und lachte. Neben dem Cut auf der Nase habe er Prellungen und leichte Muskelzerrungen erlitten, „aber es ist überschaubar“. Allerdings habe er starke Schmerzen, „besonders nach dem Aufstehen“.
Umso wichtiger war für den 33-Jährigen, dass er die berühmt-berüchtigte und in diesem Jahr leicht veränderte Piste noch einmal unter Rennbedingungen fahren konnte – wenngleich wegen Schneefalls von der Seidlalm aus gestartet wurde. „Das ist auch für den Kopf gut“, sagte er über den Test: „Das Gefühl war gut, es hat geschneit und war extrem langsam – für mich perfekt zum Reinkommen.“
Auf einer entschärften Strecke
Auf Rang 21 hatte er 1,57 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit von Christof Innerhofer (Italien). Bester Deutscher bei der wenig aussagekräftigen Probe war Dominik Schwaiger auf Rang zwölf. Andreas Sander, Romed Baumann und Simon Jocher kamen auf die Ränge 18, 25 und 28.
Wie am Mittwoch sorgte auch die Entschärfung der Strecke für Diskussionen. „Es geht gut zu fahren“, sagte Ferstl, der den Eingriff dennoch schade findet, „weil der Traverse und der Hausbergkante komplett der Charakter genommen wird.“ Dort seien früher Eier gefragt gewesen – das sei nun nicht mehr der Fall.
Die Streif wird nicht nur sportlich eine Nervenprobe
Baumann stimmte zu, nannte die Änderung wegen der vielen Stürze der Vergangenheit aber sinnvoll. Das Ziel, die Geschwindigkeit für den Zielsprung zu reduzieren, werde jedoch nicht erreicht, ergänzte Sander: „Es sind sich alle einig, dass es nicht dabei bleibt.“
Die diesjährige Ausgabe der Hahnenkammrennen wird für die Athleten nicht nur sportlich eine Nervenprobe. Zwei Wochen vor den Olympischen Winterspielen wächst angesichts weltweit steigender Corona-Zahlen auch die Sorge vor Ansteckung und positiven Tests. Mehr denn je gilt: Wer zu den Spielen will, muss die Streif gesund überstehen.
Gesund in der Bubble in Peking ankommen
„Corona ist immer ein Riesenthema. Wir kämpfen jetzt schon zwei Jahre damit und gefühlt wird es Richtung Olympia immer krasser“, sagte Männer-Bundestrainer Christian Schwaiger vor den Abfahrten an diesem Freitag und Sonntag. „Wenn du jetzt noch positiv getestet wirst, sind die Spiele quasi gelaufen. Das ist natürlich eine mentale Belastung für die Sportler und geht an keinem spurlos vorbei.“
Die größte Sorge sei, „hier negativ und bei der Einreise nach China dann positiv getestet zu werden“, so Schwaiger. „Erst mal in der Bubble anzukommen, ist das Wichtigste.“ Schließlich gilt in China ein höherer Grenzwert, ab dem ein PCR-Test als negativ eingestuft wird, als etwa in Deutschland. Die Sportler könnten sich bis zu den Spielen (4. bis 20. Februar) aber „nicht alle einsperren. Es geht um wichtige Punkte für den Weltcup und Startplätze für die neue Saison“.
Kitzbühel: Das wichtigste Wochenende im Weltcup
Auch deshalb sei ein Verzicht auf die prestigeträchtigen Rennen in Österreich für seine Athleten kein Thema gewesen. „Kitzbühel ist im Speed-Bereich das wichtigste Wochenende im Weltcup“, sagte Schwaiger. „Wir versuchen, unseren Kreis so klein zu halten, wie es nur geht.“ Das gilt ohnehin schon für den ganzen Winter. In den Hotels, in denen oft auch Gäste absteigen, die nichts mit den Ski-Events zu tun haben, isoliert sich das deutsche Team so gut es geht, wohnt möglichst in einem eigenen Stockwerk und isst für sich alleine.
„In Wengen war ich nur am Berg oder im Zimmer“, sagte Schwaiger rückblickend auf das aus deutscher Sicht enttäuschende vergangene Wochenende in der Schweiz, wo seine Speed-Riege die Top 15 jeweils geschlossen verpasste.
Anders als bei den Geisterrennen im Vorjahr sind diesmal bei den Rennen in Kitzbühel immerhin 1000 Zuschauer erlaubt – trotz vergleichsweise hoher Sieben-Tage-Inzidenz. Man müsse „ein Zeichen setzen“, sagte der Präsident des Kitzbüheler Skiclubs, Michael Huber, zur Teilzulassung. Das Event sei so etwas wie „nationales Kulturgut.“ Die große Party mit Magnumflaschen voll Champagner oder den VIP-Tempel im Zielraum wird es aber erneut nicht geben. Vorsicht ist das oberste Gebot. Auf der Strecke. Und daneben.