Die Lücke schließt sich: Angelique Kerber bekommt Konkurrenz von Jule Niemeier

Die 22-jährige Niemeier beweist in Wimbledon, dass bei den deutschen Damen Talente folgen. Die alte Garde ist in doppelter Hinsicht aber noch immer wichtig.

Nach ihrem Überraschungssieg am Mittwoch bekam Jule Niemeier (r.) am Donnerstag im Doppel direkte Unterstützung von der erfahrenen Andrea Petkovic.
Nach ihrem Überraschungssieg am Mittwoch bekam Jule Niemeier (r.) am Donnerstag im Doppel direkte Unterstützung von der erfahrenen Andrea Petkovic.Imago

Angelique Kerber schaute genau hin. Und was sie vor ihrem Zweitrundensieg in Wimbledon auf dem TV-Bildschirm sah, beeindruckte und freute sie. „Man hat gesehen, dass sie an den Sieg geglaubt hat und dass sie Topspielerinnen schlagen kann“, sagte Kerber über die junge Jule Niemeier, die in nicht allzu ferner Zukunft ihr Erbe antreten soll.

Noch tourt Kerber (34) aber um die Tenniswelt und steht mit der gleichaltrigen Tatjana Maria und Niemeier im All England Club in der Runde der besten 32 Spielerinnen. Das wiederum freut Bundestrainerin Barbara Rittner, die „dankbar für jeden Monat“ ist, den Kerber, Niemeiers Doppelpartnerin Andrea Petkovic oder die zweifache Mutter Maria noch spielen.

Andrea Petkovic gewinnt mit Jule Niemeier den Auftakt im Doppel

„Zum einen, weil die Erfahrenen den Jungen Zeit geben, und zum anderen, weil sie im Training und Doppel ihre Erfahrung weitergeben können“, sagte Rittner: „Gerade Petko ist so ein positiver Mensch, aber auch Angie öffnet sich immer mehr. Sie hat beim Fed Cup in Kasachstan eine super Ansprache gehalten.“ Kerber bestätigt das: „Ich gebe gerne was zurück, bin immer offen und möchte ihnen helfen.“

Am Donnerstag war es Andrea Petkovic, die Jule Niemeier direkt auf dem Rasen unterstützte. Als Doppel gehen die erfahrene Petkovic und die unerfahrene Niemeier in Wimbledon an den Start. Den ersten Auftritt gewann das deutsche Duo gegen Miyu Kato und Aldila Sutjiadi aus Japan und Indonesien 7:6 (7:3), 5:7, 7:6 (14:12). Mehr als zweieinhalb Stunden dauerte das Match. Petkovic war im Einzel bereits in der ersten Runde gescheitert, kann ihre Erfahrung nun Seite an Seite an Jule Niemeier weitergeben.

Hilfe und Zeit brauchen Niemeier (22) oder Nastasja Schunk (18), um die vielen Teile zusammenzubekommen, die es für eine erfolgreiche Profikarriere braucht. „Bei Jule setzt sich das Puzzle gerade weiter zusammen“, sagte Rittner: „Sie hat ein sehr professionelles Team um sich und wird sicher von der Erfahrung, die sie gerade sammelt, profitieren.“

Die einstige Wimbledonsiegerin bei den Juniorinnen, langjährige Fed-Cup-Chefin und heutige TV-Expertin ist oft belächelt worden, wenn sie lobend über die Nachfolgerinnen der „goldenen Generation“ sprach. Lange hieß es: Da folgt ein Loch, da kommt nichts nach. Natürlich fühle sie sich bestätigt, sagte Rittner nach Niemeiers Überraschung gegen Anett Kontaveit, die Nummer zwei der Setzliste. „Aber ich bin auch lange genug dabei und nah genug dran, dass ich das Potenzial gut einschätzen kann.“

Übrigens sei sie auch damals belächelt worden, als sie einen Grand-Slam-Titel aus der Generation um Kerber, Andrea Petkovic und Julia Görges voraussagte. Es wurden drei, darunter Kerbers Wimbledonsieg 2018, der erste deutsche nach Steffi Graf.

Barbara Rittner weiß, was es für Niemeiers Karriere braucht

Ob Niemeier dieses Potenzial besitzt, kann aber selbst Rittner nicht mit Gewissheit sagen, der ganz große Erfolg hängt auf der globalisierten Tennistour von zu vielen Faktoren ab. „Ich weiß, dass es Rückschläge geben kann. Jule muss vor allem gesund bleiben“, sagte Rittner. Aber: „Derzeit steht sie kurz davor, nach ganz vorne zu kommen.“ Schon in Wimbledon, wo sie am Freitag auf Lesia Zurenko trifft, eine lösbare Aufgabe.

In Niemeiers Augen ohnehin. „Ich kann fast jede hier schlagen“, sagte sie. Angelique Kerber wird genau hingehört haben. Auch wenn das noch weit entfernt ist: Im Halbfinale könnte es zum Duell der Generationen kommen.