Wimbledon: Dustin Brown hechtet in die Elite

Es sah so aus, als sollte Dustin Brown die Sensation der zweiten Männer-Runde in Wimbledon vorbehalten sein. Aber es schlug ihn Rekordsieger Roger Federer. Der Schweizer scheiterte am Abend am 116. der Weltrangliste – dem Ukrainer Sergej Stachowsky. Der besiegte den siebenmaligen Titelträger in vier Tiebreaks 7:6, 6:7, 5:7, 6:7. Und das ausgerechnet im zehnten Jahr nach Federers erstem Triumph.

Der Topfavorit raus, sein ärgster Konkurrent Rafael Nadal raus – wer weiß, wohin das Dustin Brown führen kann. Den 189. der Weltrangliste, der vor Federer die Topmeldungen aus Wimbledon bestimmt hatte: Der Qualifikant, als Sohn einer Deutschen und eines Jamaikaners in Celle/Niedersachsen geboren, besiegte am Nachmittag mit leichter Hand und kühlem Kopf Federers Vorgänger, den Wimbledonsieger des Jahres 2002, Lleyton Hewitt, 6:4, 6:4, 6:7, 6:2.

Andere tragen die Sticker ihrer Werbepartner auf dem Ärmel, auf Browns ärmellosem Hemd dagegen steht sein Twitter-Name: DreddyTennis. Unter diesem Namen schickte er eine halbe Stunde nach dem Spiel die Botschaft: „Istdasalleswirklich passiert“, und „habgeheultwieeinkleinesMädchen“.

Im Spiel gegen den unendlich routinierten Hewitt schaffte Brown, was er in der jüngeren Vergangenheit vergeblich versucht hatte. Die Schläge zum Sieg hatten ihm selten gefehlt, meist aber Konstanz und Zuversicht. „Ich war schon ein paar Mal dicht dran“, sagt er, „aber bisher ist immer irgendwas dazwischen gekommen.“ Doch nach vier Spielen ohne Satzverlust – darunter drei in der Qualifikation – und angesichts der Herausforderung, die mit dem Namen Hewitt verbunden war, hatte er das Gefühl, dies könne der Tag aller Tage sein. Und er wurde es.

Knallharten Aufschläge, freche Stopps

Vom ersten Ballwechsel an beschäftigte er den Australier mit einer Mischung aus knallharten Aufschlägen, frechen Stopps, eingesprungenen Rückhand-Schmetterbällen, Volleys mit Fingerspitzengefühl und karibischer Lässigkeit. Doch kein Moment war so umwerfend wie jener beim Satzball im ersten Satz, als er einen Passierball des Australiers mit einem Hechtvolley noch erwischte. Gerade wie eine Schranke lag er in der Luft.

Unglaubliche 74 Winner schlug er in der Partie, darunter 21 Asse, aber er gewann das Spiel vor allem, weil er es schaffte, sich vom verlorenen dritten Satz blitzschnell zu erholen und weiter positiv zu denken. Eben weil einer wie Hewitt auf der anderen Seite stand, sei es viel leichter gewesen, die Nerven nicht zu verlieren, sagte er hinterher.

So gewann er das erst dritte Spiel seiner Karriere im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, landete zum ersten Mal in Runde drei, hat schon 74 300 Euro verdient und erlebte danach, wie begehrt Sieger sind. Was eigentlich aus dem Plan geworden sei, einen britischen Pass zu beantragen, wurde er in der Pressekonferenz gefragt. Brown, der seit 2010 einen deutschen Pass besitzt, sagte: „Ich bin stolz, Jamaikaner und Deutscher zu sein.“
Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie sich Dinge manchmal entwickeln. Bevor Brown nach Wimbledon gekommen ist, hatte er vergeblich versucht, sich bei zwei Challenger-Turnieren in Nottingham zu qualifizieren, und nun spielt er beim wichtigsten Turnier der Welt in Runde drei. Dass er darin am Freitag auf einen Gegner treffen wird, der in der Rangliste auch nicht zu den besten Hundert gehört, muss nichts heißen. Der Franzose Adrian Mannarino profitierte von einer Aufgabe des Amerikaners John Isner. Aber Brown ist gewarnt. Die letzte Begegnung mit dem Mann hatte er verloren – im Finale eines Challenger-Turniers in Sarajevo. Allerdings: zwei Mal im Tiebreak.