Es gibt eine Menge Vorurteile über russische Menschen, die sich auf sehr angenehme Art und Weise in Luft auflösen, wenn man vollgestopft mit in Deutschland kursierenden Vorurteilen und ein paar Eindrücken von Juri und Michail vom Pauschalurlaubsswimmingpool durch das größte Land der Welt reist.
Lauter verschlossene Grummler? Im Gegenteil, viele Leute wirken ernsthaft interessiert, offen. Von ihren Staatsmedien manipulierte Ahnungslose? Mitnichten. Ihren Modegeschmack betreffend verloren auf absurden Irrwegen zwischen kaltem Krieg und Chinakitsch? Nun gut, manche. Ein weit verbreitetes Klischee des Russen trifft aber in jedem Fall voll und ganz ins Schwarze: Russen machen gerne Krach.
Laute PS-Monster
Sie lieben es, Auspuffanlagen zu frisieren und mit donnernden Autos durch die Straßen von Moskau zu jagen. In spektakulären metallicfarben lackierte PS-Monster lassen ihre Reifen in rasanten U-Turns auf achtspurigen Hauptverkehrsadern quietschen, und in vielen Bars wird jeder Besucher gezwungen, selbst zu brüllen, um gegen das Gezeter und Gelächter vom Nachbartisch anzukommen.
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Besonders schlimm ist es aber, wenn irgendein Moderator auf offener Bühne spricht, im Vorfeld des Eröffnungsspiels im Luschniki zum Beispiel. Oder auf den Bühnen rund um die Arena in Sotschi. In der Urlaubstadt am Schwarzen Meer wird geradezu zwanghaft versucht, die Menschen in den Zustand akuter Euphorie zu versetzen. Mit skurril aufgedrehten Volunteers, die jeden Passanten zigfach mit Schaumstoffhänden abklatschen wollen und dabei „High Five“ rufen. Und mit Marktschreiern an Megaphonen, die Passanten zur Teilnahme an irgendwelchen lustigen Spaßaktionen animieren wollen.
Ein Fall für die Behörden
Besonders schlimm ist es aber im Luschniki, dem Hauptstadion des Turniers. Dort werden die Lautstärkeregler mitunter derart weit nach oben gezogen, dass in Deutschland ganz bestimmt irgendwelche Behörden einschreiten müssten, weil jeder erlaubte Dezibel-Grenzwert um ein Vielfaches überschritten wird. Weil Trommelfelle zu platzen drohen.
Vermutlich glauben die Organisatoren, das Publikum mit dieser Methode aufrütteln zu können, dabei sind viele Leute eigentlich auch ohne solche Manipulationsversuche gut gelaunt und durchaus singfreudig.
Fehlendes Talent
Seltsamerweise war es nur während des Eröffnungsspiels lange Zeit eher ruhig. In der ersten Halbzeit versuchten immer wieder vereinzelte Mexikaner die Russen zu Gesängen zu animieren, und scheiterten genauso wie Schreihälse von der Fifa-Fan-Animationsabteilung. Erst als sich der Sieg der russischen Auswahl am Ende zu diesem denkwürdige 5:0-Triumph entwickelte, gingen die Zuschauer genauso aus sich heraus, wie an den Schaltknüppeln ihrer schnellen Autos. Aber so eine WM ist ja auch ein Ort des kulturellen Austausches und zum Beispiel von den Mexikanern oder den Argentiniern lässt sich wunderbar lernen, wie richtig guter Fußballkrach funktioniert. Das Talent dazu fehlt den Russen jedenfalls nicht.