Zwei weitere Titel mit 49 Jahren: Claudia Pechstein nimmt Kurs auf Olympia
Was sind ihre Zeiten international wert? Reicht das für die achte Olympia-Teilnahme? Auf die Jüngeren wirft die Überlegenheit der Berlinerin kein gutes Licht.

Berlin-Claudia Pechstein siegt wie sie will – in Deutschland. Erneut hat die Eisschnelllauf-Veteranin bei den Titelkämpfen in Inzell der Konkurrenz nur die Schlittschuhhacken gezeigt. Die deutschen Meistertitel 40 und 41 mit großen Vorsprüngen waren Ausdruck der Überlegenheit der erfolgreichsten Winterolympionikin des Landes. Auch die Zeiten sind für eine 49-Jährige erstaunlich. Doch was sind sie im internationalen Maßstab wert? Zum Vergleich: Hollands Meisterin Irene Schouten setzte sich über 3000 Meter in 3:54,59 Minuten durch, Pechstein siegte in Inzell in 4:11,82 Minuten. Das sind Welten, die Deutschlands Beste, die in ihrer Karriere fünfmal Olympia-Gold gewann, von der Weltspitze trennen. „In Holland wäre ich wohl schon seit 15 Jahren Rentnerin, aber die Jungen müssen hart trainieren und versuchen, Pechstein zu schlagen“, meinte sie lächelnd.
Nach Sturz noch Dritte geworden
Den dritten Titel der Berlinerin in Inzell verhinderte am Sonntag ein Sturz im Massenstartrennen. Siegerin des international ausgeschriebenen Rennens in Inzell wurde die Schweizerin Ramona Härdi vor der Erfurterin Josie Hofmann, die als Zweite der Konkurrenz zur deutschen Meisterin gekürt wurde. Pechstein holte nach dem Sturz noch knapp eine Runde Rückstand auf und wurde nach Fotofinish Dritte.
Über 3000 Meter lag sie fast fünf Sekunden vor den mehr als 20 Jahre jüngeren Konkurrentinnen. Über 5000 Meter war ihr Vorsprung auf die nach einem Fahrradunfall und vier Knie-Operationen wieder genesene Berlinerin Michelle Uhrig noch weit größer. Rang drei ging in persönlicher Bestzeit von 4:16,92 Minuten an Victoria Stirnemann (Erfurt), die 19 Jahre alte Tochter von Rekordweltmeisterin Gunda Niemann-Stirnemann, mit der sich Pechstein in den 1990er-Jahren viele Duelle geliefert hat. „Der 41. Titel ist schon irgendwie toll. Der Abstand zu den jungen Hühnern ist wieder extrem“, meinte die glückliche Siegerin nach ihrem zweiten Coup auf Instagram. Sie sei glücklich und habe ihr Ziel erreicht. Was den Nachwuchs angehe, das stimme sie allerdings „sehr negativ, aber das kenne ich ja aus den letzten Jahren“.
DESG-Präsident Matthias Große, der Lebensgefährte von Pechstein, sieht trotzdem Hoffnungsschimmer. „Wir konnten nichts anderes erwarten, ich will nichts schön reden. Aber wir können niemanden klonen. Ich bin froh, dass wieder der Leistungsgedanke Einzug gehalten hat und sich die Jugend auf allen Strecken der Konkurrenz stellt.“ Noch bei den vorherigen Titelkämpfen war über 5000 Meter nicht eine deutsche Gegnerin für Pechstein auf das Eis gegangen.
Die Hauptstädterin, die bei der Bundestagswahl im Berliner Bezirk Köpenick als parteilose Kandidatin für die CDU den Einzug ins hohe Haus verpasst hatte, weiß aber, wie hart der Weg zu ihren achten Olympischen Winterspielen wird. Gleich beim ersten Weltcup im polnischen Tomaszow geht es um alles: Dort muss sie über 3000 Meter mindestens Elfte werden, um das Starterfeld für ihre Spezialstrecke über 5000 Meter eine Woche später in Stavanger zu erreichen. Wer dort unter die ersten Acht kommt, hat das Ticket für Peking sicher. Insgesamt haben alle deutschen Meister von Inzell ihr Ticket für die ersten vier Weltcup-Rennen sicher, dort werden dann die Olympia-Fahrkarten vergeben.
Nur Noriaki Kasai war bei acht Olympischen Spielen dabei
Das „Perpetuum mobile“, wie die Süddeutsche Zeitung Pechstein bezeichnete, wäre die erste Frau, die zum achten Mal an Winterspielen teilnimmt. Bisher hat dies nur der japanische Skispringer Noriaki Kasai erreicht. Die Berlinerin will nach ihrem erwarteten Abschied von der aktiven Karriere nach Peking dem Eisschnelllauf treu bleiben. Zu Beginn der Woche hatte sie ihre Ausbildung an der Trainerakademie des deutschen Sports in Köln gestartet.
Ein Generationswechsel deutete sich auch bei den Herren nicht an. Die größten Hoffnungen mit Blick auf Olympia tragen die Doppelmeister Joel Dufter aus Inzell (500 und 1000 Meter) und Patrick Beckert (5000 und 10.000 Meter). Der dreimalige WM-Dritte aus Erfurt drückte auf der langen Distanz in 12:54,43 Minuten seinen Meisterschaftsrekord um zehn Sekunden und holte sich seinen 24. Titel.