Steffen Möller ist in Polen ein bekannter Kabarettist und TV-Darsteller. Er findet das Leben dort inzwischen angenehmer: Der nette Deutsche
WARSCHAU. "Ich bin der nette Deutsche, einer muss es ja sein", sagt Steffen Möller, zögert den Bruchteil einer Sekunde und fügt hinzu: "Ich und der Papst." Das ist allerdings pure Bescheidenheit. Denn in Polen kann der Heilige Vater aus Deutschland in puncto Beliebtheit mit dem deutschen Kabarettisten und Fernsehstar Steffen Möller kaum mithalten. Als Ratzinger zum Papst gewählt wurde, schüttelten wildfremde Menschen Möller in Polen auf der Straße die Hand und gratulierten zum Landsmann auf dem Heiligen Stuhl. Für den Kabarettisten ist der Deutsche in Rom ein Glücksgriff der Kardinäle gewesen. Denn Witze über Ratzingers polnischen Vorgänger Johannes Paul II. sind in Polen "Tabu Nummer eins", sagt Möller. "Aber über Benedikt darfst du scherzen, da gibt es Super-Witze."Zehn Millionen ZuschauerAls Möller in Jeans und Winterjacke die Pizzeria auf der Warschauer Flaniermeile Nowy Swiat betritt, schauen ihm einige Gäste gleich nach. Sein Gesicht kennt hier jeder. Vor allem aus der Fernsehserie "M jak Milosc" - "L wie Liebe". Da spielt Möller den deutschen Kartoffelbauern Stefan Müller: nett, naiv und vom Pech verfolgt, besonders in der Liebe. Auch mit der dritten polnischen Film- Ehefrau Ela kriselt es schon wieder."Seit einem halben Jahr habe ich jetzt Pause. Offiziell helfe ich meinem Onkel Johann in Hamburg im Pub, zusammen mit Ela", erzählt Möller. Seine polnischen Fans warten sehnsüchtig, dass er endlich wiederkommt. Zehn Millionen Zuschauer sehen die Serie pro Woche und Müller alias Möller ist ihr Liebling. Der sensible Jungbauer, der in Polen Kartoffeln für Fritten anbauen will, entspricht so gar nicht dem Stereotyp vom zackigen und erfolgreichen Deutschen. Viele Polen kennen Steffen Möller zudem als den jungenhaften Deutschen aus der Sendung "Europa da sie lubic" - "Europa lässt sich mögen". Da albert und kalauert er mit den Kollegen aus den anderen Ländern um die Wette. Auch nicht gerade typisch deutsch.Oft sprechen ihn Unbekannte an, wollen ihm unbedingt etwas erzählen. "Für viele bin ich der Beichtvater", stellt Möller über seiner Pizza mit Spiegelei und Spinat fest. Immer sind es Geschichten über Erfahrungen mit den Deutschen, aus der Zeit der deutschen Besatzung Polens während des Zweiten Weltkriegs oder von heute. Zum Beispiel eine polnische Deutschlehrerin. Ihr kleiner Sohn wollte sich unbedingt mit Möller fotografieren lassen. Danach erzählte die Mutter, wie es ihrem älteren Sohn in Deutschland erging. Drei Monate lang war der junge Pole in Frankfurt, um sein Deutsch zu verbessern. Danach stand für ihn fest: "Mama, ich will nicht in Deutschland leben. Die Deutschen sind kalt, man lernt niemand kennen." Da rauft sich Möller die Haare. "Der Junge hat zehn Jahre begeistert Deutsch gelernt, weil seine Mutter Deutschlehrerin ist. Jetzt fährt er hin und sagt: Nie wieder. Das ist traurig", sagt Möller, der 1994 als Deutschlehrer nach Polen kam. "Und die Deutschen nehmen das nicht ernst."So wie seine Freunde es nicht ernstnahmen, als Möller beschloss nach Polen zu gehen. "Was willst du denn in Asien?", fragten sie ihn. 1993 war er das erste Mal in Polen, für zwei Wochen zum Sprachkurs in Krakau. Da fasste er den Entschluss, in diesem Land zu leben. Möller beendete sein Studium der evangelischen Theologie und Philosophie in Berlin und siedelte 1994 nach Warschau über. "Sieben Jahre war ich hier ein totaler Nobody", erinnert er sich an die Zeit als Deutschlehrer. Dann stellte er sein erstes Solo-Kabarettprogramm auf die Beine, auf Polnisch. Heute ist er Ende 30, und er spricht die Sprache inzwischen fließend und leidenschaftlich. Möller legt Listen von unübersetzbaren Wörtern an, gerne diskutiert er die Tücken der polnischen Grammatik. Zur besonderen Freude seines polnischen Publikums deklamiert er sogar schwierigste polnische Zungenbrecher und Gedichte fehlerfrei. Allein damit gewinnt er schon die Herzen der Menschen. Mit seinen Kabarettprogrammen - voller Pointen über die Polen und die Deutschen - ist Möller durch das ganze Land getourt, fast immer mit öffentlichen Bussen oder der Bahn.Inzwischen tritt er auch in Deutschland auf. Und erzählt zum Beispiel, wie er die erste Lektion zum Thema Gastfreundschaft erteilt bekam: Sein polnischer Bekannter Marek kam zu Besuch. Nach zwei Stunden in der Küche fragte er: "Steffen, ich sehe da im Glas drei Salzstangen, erwartest du noch einen Gast?" Das sind witzig erzählte Anekdoten mit kulturellem Lerneffekt für das Publikum.Von den Polen, die ihn ansprechen, bekommt Möller oft nicht so lustige Geschichten zu hören, so die eines polnischen Vaters, der in Ostwestfalen lebt. Der Sohn spricht fließend Deutsch und Polnisch, studiert in Bochum, lernt einen Deutschen kennen, lädt ihn nach Hause ein und dort wird groß aufgetischt - wie es die polnische Gastfreundschaft gebietet. Dann wird der polnische Sohn zu den Deutschen eingeladen. Da bekommt er ein Butterbrot und die Aufforderung, sich im Kühlschrank zu bedienen, wenn er noch Hunger hat. "Mit Tränen in den Augen hat mir der Vater erzählt, wie sein Sohn gedemütigt wurde", erinnert sich Möller. Polnische Aupair-Mädchen berichten, wie sie in deutschen Familien behandelt werden. Wie manch deutscher Chef sich in den polnischen Filialen ihrer Unternehmen aufführt, erlebt Möller selbst, wenn er als Moderator oder Entertainer für Firmenfeste engagiert wird.Manchmal packt Möller der Zorn. Dann verteidigt er bei öffentlichen Diskussionen in Deutschland auch schon mal die Brüder Kaczynski, die in Polen immer wieder mit antideutschen Ressentiments auf Stimmenfang gehen. "Warum sollten die Polen besser von den Deutschen denken als die Deutschen von den Polen?", sagt Möller. Es sei berechtigt, dass die Polen sagen: "Jetzt mal Schluss mit dem Onkel-Verhalten." Die Polenwitze in Deutschland ist er schon lange leid. "Die feinen deutschen Kabarettisten machen Witze über die Polen, aber bei Türken oder Juden trauen sie sich nicht. Aus irgendeinem Grund werden die Polen nicht von der politischen Korrektheit geschützt."Die WitzbalanceSollte man denn über alle Witze machen? Ja, findet Möller, auch über die Polen, aber eben nicht nach den Regeln der Feigheit und politischen Korrektheit. Er selbst erzählt bei seinen Auftritten Polen- und Deutschenwitze, aber immer im Doppelpack. Den vom deutschen Touristen etwa, der in einem polnischen Jagdgeschäft nach einem Messer, einer Pistole oder einer Granate fragt und jedes Mal zu hören bekommt: "Haben wir nicht." Bis der Tourist dann skeptisch nachfragt: "Haben Sie etwas gegen Deutsche?" Und der Verkäufer antwortet: "Ja. Messer, Pistolen und Granaten."Ein "Betweener" sei er geworden, sagt Möller. Einer, der dazwischen lebt. Er pendelt zwischen Warschau und Berlin. "Hin und her. Eine Woche hier, eine Woche da." Am liebsten mit dem Berlin-Warschau-Express. Da hängen derzeit überall kleine Plakate mit Werbung für sein Buch "Viva Polonia - als deutscher Gastarbeiter in Polen".Ganz in Deutschland zu leben, das kann sich Möller inzwischen kaum noch vorstellen. "Ich würde es aushalten mit dem Blick des Ethnologen, aber nicht als Mensch unter Menschen. Da finde ich es in Polen viel angenehmer."------------------------------BestsellerViva Polonia heißt das im Februar erschienene Buch von Steffen Möller mit Beobachtungen aus dem polnischen Alltag. Es steht inzwischen auf den Bestsellerlisten.Von A wie Aberglauben bis V wie Verschwörungstheorie geht es in über 50 Schlagworten um die Mentalität der Polen. Auch nennt Möller "sieben Grundregeln für eine deutsch-polnische Podiumsdiskussion".------------------------------Foto: Steffen Möller, Kabarettist, lebt in Warschau und Berlin von Witzen - über Deutsche und Polen.