Steinbrück vs. Gabriel: SPD-Spitze streitet öffentlich
Knapp 100 Tage vor der Bundestagswahl wächst in der SPD-Spitze die Nervosität. Bei einem kleinen Parteitag räumte Parteichef Sigmar Gabriel am Sonntag Meinungsverschiedenheiten mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein. „Im Wahlkampf gibt es auch mal Debatten“, sagte er. Teilnehmer einer vorherigen Parteivorstandssitzung berichteten von extremer Anspannung in der Runde. Mehrere Redner hätten gefordert, Steinbrück und Gabriel sollten sich zusammenreißen.
Bereits seit Monaten gilt das Verhältnis zwischen Steinbrück und Gabriel als gestört. Der Parteichef lastet dem Kandidaten das magere Abschneiden der SPD in den Meinungsumfragen an. Steinbrück hat den Eindruck, dass der sprunghafte Gabriel ihm mit spontanen Vorstößen etwa zum Tempolimit, zur Außenpolitik oder zur Mütterrente ständig in die Parade fährt. Zuletzt war Gabriel kurz nach Steinbrücks Ankündigung, er werde sich nicht an einem Gummistiefelwahlkampf beteiligen, im Hochwassergebiet bei Magdeburg aufgetaucht.
Angestauter Ärger
Dem Magazin Der Spiegel sagte Steinbrück nun, er erwarte, „dass sich alle – auch der Parteivorsitzende – in den nächsten 100 Tagen konstruktiv und loyal hinter den Spitzenkandidaten und die Kampagne stellen“. In Fraktionskreisen hieß es, offenbar habe sich bei Steinbrück viel Verärgerung aufgestaut.
Konkreter Auslöser der Äußerung war die Fraktionssitzung vom Dienstag, bei der Gabriel mehr Einsatz im Wahlkampf gefordert hatte. Zudem unterstützte er Steinbrück nicht, als mehrere Abgeordnete gegen die von Steinbrück befürwortete europäische Bankenunion argumentierten. Laut Teilnehmern kritisierte Gabriel den Kandidaten aber nicht direkt.
„Situationen wie am vergangenen Dienstag in der Fraktion dürfen sich nicht wiederholen“, sagte Steinbrück dem Spiegel. Gabriel reagierte am Sonntag gönnerhaft: „Wenn der Kanzlerkandidat mal glaubt, er müsse den Parteivorsitzenden in den Senkel stellen, dann darfst du das auch, Peer.“
Offiziell versuchten Mitglieder der Parteispitze, den Dissens herunterzuspielen. In der SPD gebe es muntere Debatten „wie wenn Papa und Mama miteinander diskutieren“, sagte der hessische Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Er versuchte damit, auf das Thema des Parteikonvents, einen Antrag für kostenfreie Kitaplätze, anzuspielen.
Intern wächst jedoch die Sorge um die Kampagne. Das Verhältnis von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Gabriel gilt seit langem als zerrüttet. Auch Generalsekretärin Andrea Nahles leidet unter Gabriels Extratouren. An der SPD-Basis macht sich Frust breit. „Ich will übrigens die Wahl gewinnen. Nur mal so zur Info“, sagte der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil.